Hypnose-Verbrechen

Einleitung

Wenn man bei Google nach den Schlagwörtern „Hypnose und Verbrechen“ sucht, so erhält man über 25 000 Treffe. Es besteht offensichtlich ein erhebliches Interesse an der Frage, ob man Hypnose zu verbrecherischen Zwecken mißbrauchen kann.

Diese Frage spielt auch in  Filmen und Romanen eine Rolle, und auch das Fernsehen sendet ab und zu einen Bericht zu diesem Thema. Doch auch unter Hypnotiseuren wird dieses Thema  immer wieder diskutiert. Man wird dabei die verschiedensten Meinungen finden.

Einige sagen, daß jemand während einer Hypnose nichts macht, was man sonst nicht auch machen würden. Namhafte Psychologen vertreten diese Meinung, und die meisten Therapeuten, die Hypnose anwenden, stimmen dem zu.

Andererseits wird man ganze Online-Bücher finden, die das exakte Gegenteil behaupten. Dann wird man wiederum Filmszenen auf einigen Seiten entdecken,  die  scheinbar eine eindeutige Entscheidung bringen: Hypnotisierte begehen da die ungeheuerlichsten Verbrechen bis hin zum Mord. Dabei können sie scheinbar gar nicht anders, weil der Hypnotiseur sie durch Suggestionen täuscht. Er suggeriert zum Beispiel, daß ein Mensch, auf den der Hypnotisierte schießen soll, ein gefährliches Raubtier sei, gegen das er sich wehren müsse, um zu überleben. Und der Hypnotisierte schießt tatsächlich, auch wenn die Waffe natürlich nicht geladen ist.

Manche dieser Videos stammen aus Sendungen, die im Fernsehen ausgestrahlt wurden. Die entsprechenden Hypnotiseure versichern, daß sie ihre Subjekte zu schlichtweg allem bringen können, und scheinbar beweisen sie es ja auch überzeugend.

Vor einiger Zeit wurde sogar ein Experiment im Fernsehen gezeigt, bei der ein promovierter Psychologe einem Mann befahl, eine Frau aus dem vierten Stock zu schubsen. Er suggerierte ihr, es handele sich nur um eine Maschine, und er müsse dem Auftrag unbedingt ausführen. Mit Erfolg. Daraus schloß der Psychologe dann, daß durch Hypnose tatsächlich moralische Hemmungen ausgehebelt werden können.

Die Verwirrung  ist fast zwangsläufig. Sind nun diejenigen, die die Gefährlichkeit der Hypnose bestreiten, einfach naiv oder unwissend? Kennen sie vielleicht einfach nicht die richtigen Techniken? Oder mißfällt ihnen die Wahrheit, und verdrängen sie die Fakten, weil sie gerne ihre Patienten beruhigen wollen?  Oder ist die Sache vielleicht doch nicht so klar und einfach, wie es den Anschein hat?

In diesem Artikel möchte ich zum Nachdenken anregen und die Leserin und den Leser dabei mit einigen Ergebnissen der Hypnoseforschung bekannt machen, die sehr überraschend und zugleich faszinierend sind…und auch unter Hypnotiseuren nahezu unbekannt. Um sich einen ungefähren Eindruck darüber zu verschaffen, was Hypnose überhaupt ist, empfehle ich den entsprechenden Artikel der Wikipedia, mehr aber noch meine eigene Einführung.

(Auf eine „wissenschaftliche“ Diktion wird übrigens in diesem Artikel bewußt verzichtet, damit die Lektüre allgemein gut zugänglich und leserfrendlich bleibt. Einige Artikel werden im Text verlinkt, die jedoch anspruchsvoller sind und mehr voraussetzen als dieser Text. Eine sehr deutliche und wesentlich Vertiefung finden Sie in den kontroversen Diskussionen in den Kommentarbeiträgen, falls Sie Interesse haben; die sind dann auch wirklich anspruchsvoller. Hier ein herzlicher Dank an die Mitdiskutanden für die hervorragenden Kommentare und Debatten.)

Was ist eigentlich das Problem?

Anders gefragt: Worum dreht sich eigentlich die Diskussion? Die Antwort scheint einfach: Natürlich darum, ob man mit Hypnose Menschen zu Verbrechen oder selbstschädigenden Handlungen bringen kann.

Und diese Antwort ist falsch.

Es geht nämlich um etwas ganz anderes. Die Frage lautet richtig: Kann man mit Hypnose Menschen in höherem Maße zu Verbrechen und selbstschädigendem Verhalten bringen als ohne Hypnose?

Dieser Unterschied ist keine Haarspalterei, sondern enorm  wichtig, denn die Psychologie hat gezeigt, daß man ein ganz erstaunliches Maß an Gehorsam auch ohne Hypnose erzielen kann, wenn man als eine „Autorität“ wahrgenommen wird. Und Autorität heißt hier nicht, daß jemand der Papst  oder die Bundeskanzlerin sein muß. Es reicht vielmehr völlig aus, ein Experimentalleiter bei einem normalen psychologischen Experiment zu sein.

Beim Milgram-Experiment zum Beispiel konnten viele Probanden dazu gebracht werden,  selbst dann vermeintliche Stromstöße gegen unschuldige Opfer (die in Wahrheit natürlich Schauspieler waren) einzusetzen, wenn diese erst vor Schmerzen schrien, alsdann gegen die Wand trommelten und ihre „Peiniger“ anflehten, daß sie aufhören sollten, und schließlich keinen Mucks mehr von sich gaben. Obwohl der Eindruck erweckt wurde, daß akute Lebensgefahr für das „Opfer“ bestehe, machten 65% der Versuchsteilnehmer selbst dann noch weiter und lösten auch die höchsten Stromschläge aus.

Viele zeigten dabei Symptome von erheblichem Streß wie Schweißausbrüche und Zittern – und dennoch machten sie mit! Hätte man dieses Experiment mit Hypnose gemacht, dann würde jeder sagen, daß damit die Macht der Hypnose zum Bösen schlagend bewiesen ist. (Auszuschließen ist übrigens nicht, daß jedenfalls manche Probanden sich zumindest irgendwo unterbewusst gedacht haben könnten, daß das Experiment letztlich doch geschützt ist.)

Wie beweist man was? Oder: Nichts ohne Kontrollgruppe!

Daraus kann man eines lernen:  Bei Versuchen zur Gehorsamsbereitschaft mit Hypnose braucht man Kontrollgruppen. Das sind Probanden, die denselben Bedingungen ausgesetzt sind wie die Hypnotisierten, demselben sozialen Druck, denselben Anforderungen. Nur mit dem Unterschied, daß sie eben nicht hypnotisiert sind.

Stellen Sie sich vor, ein Forscher will beweisen, daß man während einer Hypnose einen niedrigeren Blutdruck hat, als wenn man einfach nur da sitzt und nichts tut. Dazu mißt er den Blutdruck von zehn Hypnotisierten. Reicht das aus, um die Frage zu beantworten?

Ganz sicher nicht!

Er braucht eine Gruppe von wachen Personen, die einfach nur rumsitzen. Und er muß auch bei ihnen den Blutdruck messen. Und dann erst hat er einen Vergleich und kommt der Antwort näher. (Die Antwort auf diese Frage hängt übrigens von der Art der Hypnose ab.)

Ganz entsprechend verhält es sich auch mit dem Problem, ob Hypnotisierte eher zu „Verbrechen“ zu bringen sind als „wache“ Subjekte. Auch hier braucht man einen Vergleich zwischen Hypnotisierten und Nicht-Hypnotisierten, um Schlüsse ziehen zu können.

Am Beginn der Hypnoseforschung hat man das nicht beachtet und viele Experimente gemacht, bei denen keine „wachen“ Probanden dabei waren. Es wurden viele Versuche durchgeführt,  bei denen die Forscher die Hypnotisierte zu den unglaublichsten „Verbrechen“ bringen konnten; so „vergifteten“ sie auf Befehl hin andere Menschen mit Puderzucker, von dem man ihnen suggeriert hatte, daß er Arsen sei. Oder sie „ermordeten“ Leute mit Gummidolchen, obwohl man ihnen suggeriert hatte, daß es echte Waffen seien. Oder man ließ sie auch Gegenstände stehlen.

Es gibt sogar Experimente, bei denen man fast alle Probanden dazu bringen konnte, nach hochgiftigen Klapperschlangen zu greifen (die durch eine unsichtbare Glaswand verborgen waren). Obwohl die Probanden teilweise extreme Angst hatten, gehorchten sie.

Bei einem anderen Experiment schütteten die Versuchsteilnehmer anderen Leuten ätzende Säure ins Gesicht, obwohl sie gesehen hatten, wie sich eine Münze in ihnen aufgelöst hatte. (Man hat die Säure natürlich heimlich gegen harmlose, aber täuschend echte Imitate ausgetauscht.)

Diese Experimente wurden jedoch wie gesagt nur mit Hypnotisierten gemacht, und man setzte keine „wachen“ Kontrollgruppen ein – und schon gar nicht solche, die denselben situativen Anforderungen und demselben sozialen Druck ausgesetzt waren wie die Hypnotisierten.

Offenbar gingen die Experimentatoren selbstverständlich davon aus, daß die „Wachen“ ja eh nicht bei solchen Versuchen mitmachen würden.  Ein Hypnoseforscher der damaligen Zeit, W.R.  Wells, meinte sogar,  wenn man bei solchen Experimenten Kontrollgruppen einsetzen würde, dann wäre das eine Farce.

Welch ein Irrtum!

Es konnte nämlich durch viele spätere Versuche eines ganz deutlich gezeigt werden: Daß bei solchen Experimenten fast alle mitmachen – ob hypnotisiert oder nicht!

Nicht-Hypnotisierte gehorchen in demselben (sehr hohen!) Ausmaß wie  Hypnotisierte. Sie machen ebenfalls nahezu allesamt bei den „ungeheuerlichsten“ Versuchen mit, nicht anders als die „tief Hypnotisierten“.

Wenn es manchen Hypnoseforscher nicht gelang, ihre Subjekte zu scheinbar unmoralischen Handlungen zu bewegen, dann vermutlich deshalb, weil sie ihnen unbewußt und unwillkürlich die Erwartung mitteilten, daß sie ein Scheitern der Experimente wollten.

Es ist heutzutage aber schon lange anerkannt, daß solche Versuche im allgemeinen hervorragend und mit nahezu allen Teilnehmern funktionieren, wenn klar vermittelt wird, daß man den Erfolg erwartet. Man kann also folgenden Satz aufstellen:

Es ist sehr einfach, Probanden zu den ungeheuerlichsten vermeintlichen „Verbrechen“ zu bringen. Und auch zu scheinbar selbstschädigendem Verhalten, bis hin zur „Lebensgefahr“. Das gilt mit und ohne den Einsatz von Hypnose.

Und wir können  noch etwas konstatieren:

Wie wir gesehen haben, sind Kontrollgruppen also unverzichtbar, wenn man das „gefährliche“ Potential der Hypnose bestimmen will.

Ganz wichtig ist dabei natürlich, daß Hypnotisierte und „Wache“ wirklich gleich behandelt werden: Wenn man den Hypnotisierten in höhrem Maße (direkt oder  indirekt) vermittelt, daß ihr Mitmachen erwartet wird, dann wird das Ergebnis verfälscht.

Wie sieht es nun hinsichtlich Kontrollgruppen bei den üblichen  Experimenten im Internet aus, die die Macht des Hypnotiseurs beweisen sollen?  Die Antwort lautet: „Ernüchternd!“

Die Experimente, die man da so sieht, verwenden hypnotisierte Einzelpersonen und verwenden keine Kontrollgruppe. Das heißt, daß sie allein schon deshalb sehr wenig Aussagekraft besitzen und letztlich nichts beweisen können.

Leider wissen das aber viele Leute nicht. Sie denken wie Wells, daß „wache“ Versuchspersonen sowieso nicht bei solchen Experimenten mitmachen würden.

Es hat in der Tat auch in der Hypnoseforschung lange gedauert, bis man gemerkt hat, wie falsch diese Annahme trotz ihrer  großen Plausibilität ist. Sie erscheint fast als selbstverständlich – aber sie IST falsch.

Es gibt jedoch noch ein weiteres großes Problem mit den allermeisten vermeintlichen Beweisen für das Mißbrauchspotential der Hypnose:

Nämlich die implizite Annahme, daß Hypnotisierte etwas doof sind und auf alles reinfallen. (Auf die Annahme, daß man sie beliebig durch hypnotisch induzierte Halluzinationen täuschen kann, wird weiter unten eingegangen.)

Sind Hypnotisierte naiv?

Man stelle sich vor, daß ein Wissenschaftler oder ein Hypnotiseur ein Experiment mit einem Freiwilligen macht. Vielleicht sogar noch vor vielen Leuten, vielleicht sogar vor laufender Kamera. Dieser  Hypnotiseur befiehlt dem Freiwilligen jetzt, daß er jemanden umbringen soll.

Mal im Ernst:

Welcher vernünftige Mensch wird jetzt denken, daß das blutiger Ernst ist?

Wer wird glauben, daß das kein Experiment ist?

Wer wird denken, daß hier (vielleicht sogar vor laufender Kamera) ein Mensch umgebracht wird?

Daß der Hypnotiseur wegen Anstiftung zum Mord für die nächsten zwanzig Jahre ins Gefängnis will?

Daß draußen schon der vorbestellte Leichenwagen wartet?

Und das Putzteam, das das ganze Blut beseitigen soll?

Wer wird das glauben?

Eben.

Und Hypnotisierte sind nicht dumm. Tatsächlich hat man die hypnotisierten und nicht-hypnotisierten Teilnehmer nach solchen Experimenten, bei denen sie vermeintliche Verbrechen begangen haben,  gefragt, warum sie eigentlich mitgemacht haben.

Die Antwort von fast allen lautete: Sie glaubten, daß der Experimentator ein normaler Mensch ist und daher für Sicherheitsmaßnahmen gesorgt hat, auch wenn man diese nicht sehen konnte und alles echt aussah.

Wohlgemerkt gilt das auch für hypnotische Subjekte,  die nach allgemein akzeptierten Kriterien klassischerweise als „tief hypnotisiert“ gelten!

Und es gilt auch für Experimente, die den üblichen Versuchen, die man auf Internet-Videos sehen kann,  an Realismus, Raffinesse und Glaubwürdigkeit weit überlegen sind.

Dies ist sicherlich ein wesentlicher Grund, warum Hypnotisierte (und!!) „Wache“ bei solchen spektakulären Experimente so gut mitmachen, mehr noch als bei den Versuchen von Milgram: Sie wissen, dass nichts Schlimmes passieren wird.

Wenn ein Experimentator ernsthaft und überzeugend vermittelt, daß er wirklich will, daß man ihm gehorcht, dann wird der Versuchsteilnehmer gewöhnlich auch glauben, daß tatsächlich Gehorsam erwartet wird…und er wird außerdem auch glauben, daß  Sicherheitsmaßnahmen bestehen müssen, auch wenn sie noch so geschickt versteckt sein mögen.

Dies gilt völlig unabhängig davon, ob Hypnose vorliegt oder nicht, und es trifft auch für tief hypnotisierte Probanden zu. Im Gegenteil, es hat sich gerade bei Hypnotisierten herausgestellt, daß sie besonders schwer zu täuschen sind.

Um also einen Beweis zu führen, daß man Menschen mit Hypnose zu allem bringen kann, muß  man sicherstellen, daß die Teilnehmer nicht an versteckte Sicherheitsvorkehrungen glauben, sondern auf das Experiment „reinfallen“.

Denn wenn sie nur mitmachen, weil sie eh denken, daß für die Sicherheit aller Beteiligten gesorgt ist, dann beweist so ein Experiment rein gar nichts.

Der Hypnoseforscher G.H. Estabrooks hatte einmal gemeint, daß man erst dann klare Beweise für die manipulative Macht der Hypnose besitze, wenn es in einem Versuchs-Labor Tote gibt.

Das ist aber falsch. Es ist ethisch und rechtlich gesehen natürlich wichtig, daß die Versuche sicher sind, aber es hat keinen Einfluß auf die Aussagekraft eines Experimentes. Wichtig ist hierfür nur, was die Teilnehmer über das Experiment denken, ob sie GLAUBEN, daß es wirklich gefährlich ist oder nicht. Und somit wir hätten einen weiteren Leitsatz:

Damit ein Experiment zu Hypnose-Verbrechen überhaupt einen Wert hat, braucht man nicht nur eine angemessene Kontrollgruppe von „wachen“ Probanden.  Es muß auch sichergestellt wrden, daß die Teilnehmer glauben, daß der Versuch wirklich blutiger Ernst ist.

Ansonsten kann man nur spekulieren: Haben die Probanden mitgemacht, weil sie sich dachten, daß  in Wahrheit schon alles  sicher ist? Oder haben sie das nicht geahnt, sondern wirklich geglaubt, daß das Experiment wirklich gefährlich ist? Wenn ja, warum haben sie dann aber dennoch mitgemacht? Wegen der allgemeinen hohen Gehorsamsbereitschaft von Versuchsteilnehmern, oder wegen der Hypnose selbst?

Es gibt ganze E-Books, die nur die älteren „naiven“ Experimente kennen und daher aufs Spekulieren angewiesen sind….und sich dabei kräftig verspekulieren.

Wenn die üblichen Internet-Videos, die die negative Macht der Hypnose beweisen sollen, schon keine Kontrollgruppen verwenden, sind die dort zu sehenden Experiment dann wenigstens so konzipiert,  daß sichergestelt ist,  daß die Probanden es nicht einfach durchschauen und deshalb mitmachen?

Auch hier fällt die Antwort enttäuschend aus: Nein, im Gegenteil, diese Experimente sind gewöhnlich extrem durchschaubar!

Doch kommen wir nun aber  zu einem wichtigen Gegenargument, das immer wieder benutzt wird:

Was ist aber, wenn man hypnotische Täuschungen wie etwa Halluzinationen benutzt, um die Versuchsteilnehmer in die Irre zu führen? Kann man auf diese Weise nicht bequem ihre Realitätsprüfung aushebeln und sie damit zu allem bringen?

Schließlich kann man bei  hinreichend „tief Hypnotisierten“ durch Suggestionen das Denken und die Wahrnehmung erheblich verändern. Diese Argumentation ist sehr weit verbreitet, und die Versuche, die auf Internet-Videos gezeigt werden, bedienen sich gewöhnlich genau dieses Tricks.

Hypnotische Täuschung und unterbewußtes Wissen

Nehmen wir an, jemand wird hypnotisiert, und man befiehlt ihm dann, etwas zu stehlen. Nun sagt man dieser Person aber, daß diese Sache ihr Eigentum ist, und weil sie schön tief hypnotisiert ist, glaubt sie es auch. Wird da nicht die Kritikfähigkeit und das moralische Empfinden eines Menschen umgangen?

Hat derjenige dann überhaupt eine Chance, sich zu wehren?

Immer wieder liest man,  daß man auf diese Weise Hypnotisierte tatsächlich zu allem bringen könne.

Anders als man es manchmal hört, kennt die Hypnoseforschung diese Argumentation natürlich, und zwar praktisch seit sie existiert.

Warum ist sie dennoch sehr skeptisch?

Nun, es hat sich herausgestellt, daß hypnotische Halluzinationen nicht „vollständig“ sind. Es bleibt immer wenigstens ein unterbewußtes Wissen über die Realität. Wenn man jemandem suggeriert, daß er eine Person auf einem Stuhl gar nicht da ist, dann wird  er dennoch ungern auf diesem Stuhl Platz nehmen.

Oder wenn jemand beispielsweise hypnotisch taub ist, und ihm  dann eine Suggestionen gegeben wird, dann kann er trotzdem reagieren, obwohl er sie bewußt nicht hören kann.

Wenn ein Hypnotisierter etwas visuell negativ halluziniert (also etwas nicht sieht, obwohl es sich vor seiner Nase befindet), und man ihm dann suggeriert, daß er sich trotzdem an diesen Gegenstand erinnern kann, dann wird er sich erinnern. Obwohl er ja bewußt gar nichts gesehen hat.

Wichtig ist bei solchen Experimenten nur, daß die Suggestion glaubwürdig gegeben wird, damit der Hypnotisierte sie nicht in seinem (unterbewußten) Denken als „Test“ einstuft, dem er widerstehen soll.

Ein anderes Beispiel: Einer Person, die spanischsprachig afgewachsen ist, wird suggeriert, daß sie wieder ein kleines Kind von vier Jahren sei. Sie wird dann auf Englisch gefragt, wie alt sie sei. Obwohl sie mit vier Jahren noch kein Wort Englisch kannte und die Frage eigentlich nicht verstehen dürfte,  antwortet sie (auf Spanisch), daß sie vier Jahre alt sei. Sie wird auch auf Englisch gefragt, ob sie Englisch verstehe, und sie verneint (auf  Spanisch).

Oder einem Subjekt wird Amnesie (Vergessen) suggeriert, und dennoch läßt sich an seinem Verhalten zeigen, daß es ein unterbewußtes Wissen beibehält (und sogar auf intelligente Weise in seine Überlegungen mit einbeziehen kann).

Es gibt also eine Art unterbewußter Informationsverarbeitung, ein unterbewußtes Wahrnehmen, Denken und Erinnern. In der Hypnoseforschung spricht man in diesem Zusammenhang von „Trancelogik“ und dem „versteckten Beobachter („hidden observer“).

Man könnte also sagen, daß ein „Teil“ des Hypnotisierten an die hypnotische Suggestion glaubt und das wahrnimmt, was der Hypnotiseur ihm suggeriert. Ein anderer, unbewußter (verborgener)  „Teil“ aber weiß sehr genau, was  wirklich Sache ist und was nicht.

(Die einzige Alternative zu dieser Auffassung wäre letztlich, daß alle diejenigen, die nach ihrer Aussage zum Beispiel negative Halluzinationen oder hypnotische Taubheit erleben, die Unwahrheit sagen.

Das halte ich aus verschiedenen Gründen für ausgeschlossen; wenigstens ein großer Teil erlebt es sicherlich so, wie er es sagt. Aber selbst wenn es wirklich so wäre, daß all diese Probanden die Unwahrheit sagen, würde es ja bedeuten, daß der Hypnotisierte sogar auf bewußter Ebene voll im Bilde ist, wenn man ihm hypnotische Täuschungen suggeriert, und also auf diese Weise nicht manipuliert werden kann.)

Es kann hier nicht vertieft werden, aber  es hat sich deutlich gezeigt, daß selbst die hervorragendsten hypnotischen Subjekte selbst in „tiefster Trance“ also zumindest unterbewußt sehr wohl Realität und Illusion unterscheiden können.

Und sie können dieses Wissen auf intelligente und zielgerichtete Weise in ihr Handeln einbeziehen.

Und deshalb kann man den Hypnotisierten letztlich wohl auch kaum wirklich durch hypnotische Phänomene täuschen.

Nun kann man dagegen natürlich einwenden,  daß Menschen im Drogenrausch schon aus dem Fenster gesprungen sind, weil sie glaubten, sie könnten fliegen. Offenbar fielen sie wirklich auf diese Illusion herein und besaßen kein unterbewußtes Wissen um die Realität.  Oder jedenfalls nicht auf einem „Level“, auf dem sie Nutzen daraus ziehen konnten.

Ich kann das hier nicht vertiefen, aber mein Gegenargument lautet: Veränderungen des Denkens und der Wahrnehmung bei Hypnose (und auch bei dissoziativen Störungen)  unterscheiden sich in diesem Punkt und auch ansonsten wesentlich von den Halluzinationen und Illusionen, die man bei organischen Psychosyndromen wie Drogenrausch und „endogenen“ Psychosen wie Schizophrenie finden kann.

Ein gibt einen weiteren möglichen  Einwand gegen die Meinung, daß der Proband wenigstens „unterbewußt“ die tatsächliche Situation erkennt und daher die Kontrolle behält.

Demnach  wäre der verborgene Teil des Hypnotisierten, der die  Wirklichkeit kennt,  so eine Art mentaler Zombie. Der „verborgene Teil“ wisse zwar, wie die Wirklichkeit tatsächlich aussieht, er könne dieses unterbewußte Wissen auch auf intelligente Weise in sein Handeln einbeziehen, und ihm sei außerdem auch alles bakannt, was  jener andere Teil der Psyche weiß, der der hypnotischen Täuschung unterliegt.

Gleichzeitig habe der verborgene Teil aber keinerlei  Zugang zu den Werten und dem Willen des Hypnotisierten;  er habe nur das Bestreben, dem Hypnotiseur zu gehorchen, was er auf intelligente und reflektierte Weise tue. Er handele eigenständig und unabhängig vom Hypnotisierten, der dann eine Art „Wirt“ sei. Wahrlich ein Zombie, der da in der Hypnose in unserem Gehirn leben soll!

Eine solche Vorstellung ist aber kaum mit den Erkenntnissen der Psychologie vereinbar, und außerdem ist sie, gelinde gesagt, ziemlich abenteuerlich. Sie ist mir auch aus der hypnosewissenschnschaftlichen Literatur nicht bekannt, der Vollständigkeit halber will ich sie aber erwähnt haben, da es ein paar Leute gibt, die so zu  denken scheinen.

Wesentlich einfacher und naheliegender ist die  Auffassung, daß dieser „verborgene“ Teil  nichts anderes ist als der Hypnotisierte selbst, der unterbewußt, aber zielgerichtet handelt – mit seinem Wissen, seiner Intelligenz, seinen Motiven, seinem Willen und seinen Werten.

Diese Sichtweise ist auch durch die Beobachtungen und Forschungen wesentlich besser untermauert als die „Zombie-These“.

Man kann es vielleicht auch so ausdrücken: Die betreffende Person schafft es, bestimmte Informationen von der expliziten Repräsentation in ihrem Bewußtsein auszuschließen. Sie verarbeitet sie aber weiterhin und ist in der Lage, sie in ihr Handeln einzubeziehen, und zwar in ihrer Eigenschaft als menschliche Person.

Doch kommen wir aber nun zur Praxis:  Gibt es irgendwelche überzeugenden empirischen („erfahrungsmäßigen“) Beweise dafür, daß man durch hypnotische Täuschungen die Chance auf „hypnotische Verbrechen“ erhöhen kann? Wird diese Vermutung durch die „Praxis“ gestützt?

Die Antwort lautet klar: „Nein!“

Zwar gibt es tatsächlich Versuche, wo dieses Verfahren benutzt wurde.

In dem oben beschriebenen Experiment beispielsweise, wo die Probanden nach giftigen Klapperschlangen greifen sollten,  wurde einem Teil der Probanden suggeriert, daß es sich dabei  um Stücke von Seilen handele.

Aber das hat keinen Unterschied gemacht: Mit und ohne Täuschung gehorchten fast alle. Genau wie diejenigen, die gar nicht hypnotisiert worden waren.

Es gibt im Gegenteil immer wieder Beispiele, wo tief hypnotisierte Subjekte offensichtlich ihr unterbewußtes Wissen in ihrem Interesse nutzen. Sie begingen zwar alle möglichen Schein-Verbrechen,  aber vermieden trotz hypnotischer Täuschungen Dinge,  die wirklich peinlich gewesen wären oder auf eine sehr realistische Weise den Eindruck erweckten, tatsächlich gefährlich zu sein.

Es existiert auch noch ein anderer starker Einwand gegen die These, daß hypnotische Täuschungen für die erfolgreiche Manipulation ausschlaggebend sind. Nehmen wir einmal kurz an, es wäre so, daß die suggestive Verzerrung der Realität wirklich entscheidend ist. Dann käme alles auf die bewußte Wahrnehmung des Hypnotisierten an.

Wenn jemand auf der Ebene seines bewußten Denkens eine Handlung für okay hält, wird er sie demnach also ausführen; wenn nicht, dann nicht. Entsprechend dieser Auffassung muß man den Probanden also so täuschen, die eine Handlung, die er sonst ablehnen würde, für ihn moralisch annehmbar wird.

Nun kann man den Spieß aber auch umdrehen: Man befiehlt völlig harmlose Dinge, täuscht dabei aber durch hypnotische Suggestionen vor, daß es sich um sehr schlimme Handlungen handelt. Beispielsweise befiehlt man jemandem, daß er mit einem Gummidolch auf eine andere Person einstechen soll, was ja eigentlich harmlos ist.

Aber man suggeriert dabei, daß der Dolch eine echte Waffe sei, und stellt somit diese Handlung als hochgradig gefährlich und unmoralisch hin.

Wenn es nun wirklich auf das „bewußte“ Denken ankäme und die hypnotische Täuschung erfolgreich ist, dann müßten solche Experimente einen sehr schweren Stand haben. Das gilt selbst angesichts der hohen allgemeinen Gehorsamsbereitschaft.

Doch offenbar sieht die Realität ganz anders aus.  Solche Versuche wurden mit großem Erfolg auch bei „hervorragenden Somnambulen“ durchgeführt, besonders in der Anfangszeit der Hypnose. Die Probanden gehorchten oft ohne mit der Wimper zu zucken, während selbst die Versuchspersonen bei den deutlich indirekteren und „harmloseren“ Milgram-Experimenten Anzeichen von intensivem Stress zeigten und jedenfalls mindestens ein Drittel den Gehorsam verweigerte.

Das verträgt sich sehr schlecht mit der Meinung, daß es bei solchen Versuchen auf den bewußten Glauben ankommt…

Es scheint vielmehr zu gelten:

Ob man also „das Bewußtsein“ über die moralische Annehmbarkeit einer Handlung täuscht, und wenn ja,  „in welche Richtung“, scheint offenbar egal zu sein.

Handlunsgrelevant ist offensichtlich das unterbewußte Wissen und Denken.

Daraus folgt selbstverständlich  nicht, daß solche Experimente mit „unterstützenden“ Halluzinationen nicht funktionieren würden! Sie funktionieren natürlich!  Im Gegenteil, selbst die unglaublichsten Dinge gehen.

Das wäre ja auch seltsam, wenn diese Versuche plötzlich nicht mehr klappen würden, sobald man Halluzinationen benutzt, obwohl sie sogar ohne Halluzinationen und sogar ohne Hypnose prima funktionieren!

Der Erfolg von solchen Experimenten mit Halluzinationen bedeutet dann aber natürlich nicht, daß die Halluzinationen der Grund für dieses gute Funktionieren wären.

Eine Anmerkung muß man allerdings noch machen: Je mehr die Versuchspersonen überzeugt sind,  daß tatsächlich Gehorsam erwartet wird, je mehr gehorchen sie auch.

Das liegt wie bereits erwähnt offenbar daran, daß sie dann denken, daß der Versuchsleiter sie nicht nur auf die Probe stellt, sondern daß er wirklich möchte, daß das Experiment klappt; und daß er selbstverständlich auch für die Sicherheit sorgt.

Die Suggestion von Halluzinationen kann vermutlich indirekt wirksam sein: Sie kann eventuell die (unterbewußte) Überzeugung, daß das Experiment gemäß dem Wunsch des Hypnotiseurs tatsächlich funktionieren soll, erhöhen.

Wie Versuche  aber gezeigt haben, ist diese Vorgehensweise nicht nötig. Der Versuchsleiter kann auch so glaubwürdig vermitteln, daß er Gehorsam möchte, und er wird ihn dann auch ohne Halluzinationen erhalten.

Persönlich habe ich übrigens eine Reihe von informellen Experimenten zu Halluzinationen und zum „hidden observer“, beziehungsweise zur unterbewußten Wahrnehmung, gemacht, wenn auch nicht zum Thema „Verbrechen“.  Allein  schon deshalb und unabhängig von allen „objektiven“ Argumenten wäre ich extrem skeptisch, daß man  Menschen durch hypnotische Illusionen beliebig täuschen und manipulieren kann. Dies gilt ungeachtet dessen,  daß der Proband hypnotische Halluzinationen und Illusionen subjektiv als sehr intensiv und real erleben kann, was dann auch für den Beobachter beeindruckend ist.

Zusammenfassend kann man also sagen: Daß suggerierte Halluzinationen Verbrechen begünstigen können, ist erst einmal nichts als eine reine Mutmaßung (und keinesfalls eine erwiesene Tatsache!). Sie ist schon theoretisch sehr angreifbar. Gute empirische Argumente für sie gibt es auch nicht,  das Gegenteil ist eher der Fall. Es handelt sich also um eine reine Spekulation ohne überzeugende Begründung.

Insbesondere gilt natürlich:

Will man also beweisen, daß man jemanden mit Hypnose zu Dingen bringen kann, die er sonst nicht täte, so gelten für Versuche mit dem Einsatz von Halluzinationen dieselben Regeln wie für Experimente ohne sie.

Das heißt, es werden Kontrollgruppen benötigt, und man muß sicherstellen, daß  der Hypnotisierte nicht durchschaut,  daß das Experiment nur ein Experiment ist, und sei es auch „nur“ unterbewußt.  Dies sind Bedingungen, die wie gesagt bei den „üblichen“ Internet-Videos noch nicht einmal im Ansatz erfüllt sind.

Einige weitere Punkte bedürfen noch einer kurzen Erörterung.

Kriminalfälle

Wie sieht es mit den Fällen aus, wo ein krimineller Hypnotiseur Menschen mißbraucht hat?

Erstens sind diese Fälle extrem selten. Zweitens bestand unabhängig von Hypnose immer eine starke emotionale Verbindung zwischen Täter und Opfer. Aus der Psychologie und Psychiatrie ist bekannt, daß so etwas allein oft ausreicht, damit der eine den anderen zu extrem unsinnigem oder gar kriminellem Verhalten anstiftet.

Außerdem wissen wir nur vom (vermeintlichen) Opfer, daß eine Hypnose stattgefunden hat.  Es bleibt die Frage, ob man seinem Zeugnis glaubt, denn  Schutzbehauptungen, Einbildungen  und Wahnideen sind auch Möglichkeiten, die man auch in Betracht ziehen muß.

Ein Fall, der vor einiger Zeit im Fernsehen behandelt wurde und die kriminelle Macht der Hypnose beweisen soll, war der „dänische“ Fall Nielsen/Hardrup. Hardrup überfiel eine Bank und erschoß dabei einen Kassierer. Er soll das auf den hypnotischen Befehl seines Freundes Nielsen gemacht haben.

Die beiden Männer verband aber eine enge Beziehung, eventuell mit homoerotischen Einschlägen. Sie hatten den Plan, Dänemark vor dem Kommunismus zu retten. Dafür sollte Hardrup als wohlwollender Diktator Dänemarks eingesetzt werden. Für die politischen Pläne brauchte man Geld, und so begründete Nielsen die Notwendigkeit, eine Bank auszurauben.

Das Gericht kam zur Auffassung, daß Hardrup geisteskrank war und wies ihn in eine Anstalt ein.

Später, nachdem ihm juristisch nichts mehr passieren konnte,  widerrief der übrigens seine Aussage und gab an, niemals von Nielsen hypnotisiert worden zu sein.

Vor einiger Zeit geisterte eine Meldung von einem „Hypnose-Dieb“ durch die Presse. Es handelt sich dabei um einen Mann, der in Italien  Kassierer ausgeraubt hat, was von Überwachungskameras festgehalten wurde. Es wurde gemutmaßt, daß er dabei Hypnose eingesetzt haben soll. Laut einem Hypnotiseur, der bei einer Sendung zu dem Thema mitgewirkt hat,  hat sich inzwischen jedoch herausgestellt, daß es sich bei diesem Mann einfach nur um einen Trickdieb gehandelt hat. Genauere Informationen zu diesem Fall besitze ich aber leider nicht. Jedenfalls ist Hypnose kein Zustand der Willenlosigkeit.

Sexueller Mißbrauch

Es kommt leider immer mal wieder vor, daß ein Hypnotherapeut einen Patienten (meist eine PatientIN) sexuell mißbraucht.

Wäre dies nur – oder fast nur – bei der Hypnotherapie der Fall, so gäbe es ein ernstzunehmendes Argument dafür, daß Hypnose sexuellen Mißbrauch begünstigt. Nun ist es aber leider so, daß dieses Verhalten auch immer wieder von anderen Therapeuten aus anderen Therapieformen berichtet wird.

Daher ist es ungerechtfertigt zu schließen, daß nur die Hypnose der Schuldige sein kann.

Der „hypnotische Zwang“

Es stimmt, daß manche Hypnotisierte das Gefühl haben können, unter einem Zwang zu stehen und den Suggestionen des Hypnotiseurs nicht widerstehen zu können. Das gilt vor allem dann, wenn ihnen Suggestionen gegeben werden, die einen Kontrollverlust beinhalten.

Beispielsweise suggeriert man einem Versuchsteilnehmer, daß er fest an seinen Stuhl angeklebt ist und nicht aufstehen kann.  Ein „gutes“ hypnotisches Subjekt hat dann oftmals das Gefühl, daß es wirklich trotz seiner besten Bemühungen nicht aufstehen kann.

Aber auch hier gibt es starke Argumente dafür, daß der Hypnotisierte auf einer unterbewußten Ebene freiwillig mitmacht. Wenn man nämlich vor der Hypnose zu den Teilnehmern sagt, daß gute hypnotische Subjekte den Suggestionen widerstehen können, dann können sie es auch!. Ansonsten kann es bei entsprechenden Versuchen nur ein Teil.

Das hat einen Grund: Der Proband ist gewöhnlich motiviert, gut mitzumachen. Dies gilt insbesondere für „tief Hypnotisierte“. Die Versuchsteilnehmer haben ein Interesse daran, daß das Experiment gut funktioniert. Oder sie befinden sich in einer Situation, in der sozialer Druck besteht, daß es schön klappt.

Die meisten Hypnotisierten  sind also  bestrebt, „gute“ hypnotische Subjekte zu sein. Darum verhalten sie sich so, wie sie glauben, daß ein Hypnotisierter sich verhält. Das ist kein bewußtes „Schauspielen“, sondern läuft bei vielen eher auf einer unterbewußten Ebene ab. Dies gilt auch wiederum insbesondere bei „tief Hypnotisierten“.

Wenn ein Hypnotisierter  das subjektive Gefühl des Zwanges hat, dann liegt das also daran, daß er den übergeordneten Wunsch hat, bei der Hypnose mitzumachen. Siehe auchden Artikel „Hypnotische Rolle[…]“.

Für das Gesagte sprechen indirekt auch die beiden nächsten Abschnitte.

Die posthypnotische Suggestion

Bei der posthypnotischen Suggestion wird ein Auftrag für die Zeit nach der Beendigung der Hypnose gegeben. Das kann beispielsweise beinhalten, daß der Proband seinen linken Schuh ausziehen oder Musik halluzinieren soll. Manchmal wird Amnesie (Vergessen) für diese Suggestion suggeriert, und sie kann trotzdem wirken.

Ein Teil der Probanden erlebt  die posthypnotische Suggestion  als  Zwang und/oder weiß nicht, warum er so handelt, wie er handelt, oder registriert nicht bewußt, was er tut. Gleich mehrere Experimente zeigen jedoch, daß man auf diese Weise nicht das Verhalten einer anderen Person kontrollieren kann.

Beispielsweise gab man einerseits „tief hypnotisierten“ Versuchsteilnehmern den posthypnotischen Auftrag, dem Experimentalleiter täglich eine Postkarte zu schicken. Gleichzeitig wurden Nicht-Hypnotisierte im wachen Zustand einfach darum gebeten, daß sie jeden Tag eine Postkarte senden mögen. Das Ergebnis war immer dasselbe: Die „Wachen“ schickten mindestens so viele Karten wie die „tief Hypnotisierten“.

Der hypnotische „Zwang“ scheint also auch hier auf der subjektiven Ebene des Erlebens zu liegen, nicht auf der objektiven Ebene des Handelns.

Auch viele andere Forschungen zur posthypnotischen Suggestion sprechen stark dafür, daß der Hypnotisierte (selbst bei hypnotischer Amnesie) zumindest unterbewußt die Kontrolle über sein Handeln behält und sehr wohl weiß, was er tut. (Siehe dazu auch den, allerdings eher ansprucsvollen, Artikel „Die posthypnotische Suggestion“.)

Gehorsam hypnotisierter Personen im allgemeinen

Wie verhält es sich mit dem Gehorsam Hypnotisierter allgemein, also in Situationen, die unangenehm sind, wo es aber nichtgerade  um „Verbrechen“ geht?

Es hat sich leider gezeigt, daß Menschen in erstaunlichem und erschreckendem Maße gehorsamsbereit sind, wenn sie jemanden als Autorität akzeptieren.

Dies gilt manchmal selbst dann, wenn sie zu glauben scheinen, daß echte Gefahr besteht. Man denke an das eingangs erwähnte Milgram-Experiment mit den vermeintlichen Stromstößen.

Verschiedene Untersuchungen sprechen aber eindrücklich dafür, daß dieser Gehorsam nichts mit der Hypnose als solcher zu tun hat, auch nicht mit ihrer „Tiefe“.

„Wache“ Probanden gehorchen in demselben Ausmaß, und wenn es eine Tendenz gibt, dann gehorchen sie sogar eher noch  mehr.

Es gibt einige interessante Experimente dazu, eines beispielsweise von den Hypnoseforschern D.S. Calverley und T.X. Barber.

Es wurden dabei Hypnotisierte und „Wache“ aufgefordert, ungerechte und sehr negative Beschwerdebriefe über Vorgesetzte zu schreiben.

Beide Gruppen gehorchten in demselben (sehr hohen) Maß, aber einige Hypnotisierte meinten, daß sie aufgrund eines hypnotischen Zwanges gehandelt hatten. Offenbar haben sie den sozialen Druck mit hypnotischem Zwang verwechselt.

(Man stelle sich vor, es hätte hier keine Kontrollgruppe gegeben! Dann hätte man nicht nur „herausgefunden“, daß Hypnotisierte sehr gehorsam sind, sondern auch noch bestätigt bekommen, daß die Kraft der Hypnose sie gezwungen hat!)

Tatsächlicher „Machtmißbrauch“ bei  Hypnose

Trotz des  Gesagten gilt aber, daß Hypnose auch mit sozialen Rollenerwartungen verbunden ist, die oftmals „Gehorsam“  beinhalten. Diese Erwartungen können stark sein und auf diesem Weg Mißbrauch indirekt begünstigen. Dies gilt aber auch für andere soziale Rollen, z.B. für die eines Versuchsleiters oder Therapeuten.

Zudem findet Hypnose oft ohnehin in Kontexten statt, die die Macht des Hypnotiseurs begünstigt: Eben bei Therapien, in psychologischen Experimenten oder auch bei Shows, bei denen ein erheblicher Gruppendruck bestehen kann.

Es spricht einiges dafür, daß man Menschen psychisch erheblich manipulieren kann. Das gilt ohne Hypnose, aber natürlich auch mit.

Wenn jemand also  beispielsweise angibt, von einem Hypnotiseur sexuell mißbraucht worden zu sein, so muß  man das ernstnehmen, so wie auch bei Mißbrauchsfällen aus der Psychotherapie. Dies ist wichtig für die juristische Beurteilung solcher Fälle.

Bei der Behauptung, durch Hypnose oder Telehypnose massiv beeinflußt zu werden, sollte man übrigens auch an psychopathologische Phänomene in Betracht ziehen und an Psychosen wie Schizophrenie denken, denn da kommt es häufig vor, daß jemand so etwas glaubt. Ein Laie kann diese Krankheit oft übersehen, da die Betroffenen in vielerlei Hinsicht normal und vernünftig sein können. Hier ist also im Zweifelsfall ein Psychiater zur Abklärung gefragt. (Meine persönliche, aber deshalb auch subjektive Empfehlung wäre die Konsultation eines sozialpsychiatrisch orientierten Facharztes.)

Hypnoseforschung: Rückschritt oder Fortschritt?

Manchmal wird gesagt, daß die Hypnoseforscher und Therapeuten früher mehr wußten, weil sie an die Mißbrauchsmöglichkeiten der Hypnose glaubten.

Solche Aussagen stammen gewöhnlich von Leuten, die sich nie mit den Argumenten der Hypnoseforschung auseinandergesetzt haben und sich auf zumeist sehr alte Literatur beziehen, um ihre eigenen Ansichten zu untermauern.

Aber stimmt dieser Vorwurf?

Wenn früher jemand während einer Hypnose mißbraucht wurde, dann galt es manchen als selbstverständlich, daß die Hypnose und nur die Hypnose dafür verantwortlich sein konnte.

Heutzutage ist man da kritischer, und man weiß, daß auch alternative Ursachen in Betracht gezogen werden müssen.

Früher wurde es als selbstverständlich betrachtet, daß man keine Kontrollgruppen braucht, weil „Wache“ sowieso keinen scheinbar unethischen Befehlen nachkommen.

Inzwischen weiß man, wie falsch diese Annahme war.

Früher hielt man es für selbstverständlich, daß Hypnotisierte durch jedes noch so durchschaubare Experiment leicht zu täuschen sind.

Inzwischen hat sich klar gezeigt, daß das nicht stimmt.

Daher ist man heute kritischer. (Manche waren übrigens auch schon früher kritisch.)

Das ist kein Rückschritt, es ist Fortschritt!

Das „große Mißverständnis“

Wenn die Hypnoseforschung sagt, daß man Hypnotisierte zu nichts bringen kann, was sie nicht auch im „Wachzustand“ täten, dann wird das oft mißverstanden. Viele glauben das solle heißen, daß man Hypnotisierte  nicht zu (vermeintlichen) Verbrechen bringen kann.

Das ist aber ein großer Irrtum. Ich schreibe es noch einmal  und hebe es graphisch hervor, weil es so oft falsch verstanden wird:

Gemeint ist mit dieser Aussage, daß sowohl Hypnotisierte wie auch Nicht-Hypnotisierte äußerst erfolgreich zu Schein-Verbrechen gebracht werden können.

Wie dargelegt ist es aber sehr schwierig, aus dieser Tatsache Schlüsse zu ziehen, denn bewußt oder zumindest unterbewußt gehen die Teilnehmer offenbar fast immer davon aus, daß die Experimente  letztlich eben nur Experimente sind, und keine echten Verbrechen.

Noch eine Randnotiz: Forscher und Therapeuten

Diejenigen, die an die uneingeschränkte Macht der Hypnose glauben, sagen manchmal, daß die „Therapeuten“ das Mißbrauchspotential der Hypnose deshalb abstreiten, weil sie sich nicht mit dem Thema auskennen.

Ohne jemandem zu nahe treten zu wollen, würde ich meinen, daß das  manchmal sogar zu einem gewissen Grade stimmen mag. Das ist auch nicht so schlimm, denn es ist ja auch nicht primär Aufgabe der Therapeuten, sich mit diesen Fragen zu beschäftigen. So etwas ist in erster Linie Sache der Hypnoseforschung.

Die Therapeuten übernehmen gewissermaßen oft einfach die Ergebnisse der Hypnoseforscher, häufig ohne die genauen Zusammenhänge und Hintergründe zu kennen. Das ist einerseits bedauerlich, andererseits haben die Therapeuten ja auch andere Aufgaben.

Angesichts der Möglichkeit, daß  Patienten sie mit entsprechenden Seiten aus dem Internet und gewissen Fernsehsendungen konfrontieren,  wäre eine  wenigstens etwas eingehendere Beschäftigung mit dem Thema aber doch ratsam.

Und eines sollte hoffentlich klar geworden sein: Auch wenn vielleicht nicht alle Therapeuten wissen, warum die „offizielle Lehrmeinung“ skeptisch im Hinblick auf „Hypnose-Verbrechen“ ist, die Hypnoseforschung hat ihre Gründe.

Zusammenfassung

  1. Es ist in einem erstaunlichen Ausmaß möglich, Hypnotisierte zu scheinbar selbstgefährdenden und kriminellen Handlungen zu bringen. Unter geeigneten Umständen wird dies mit nahezu allen Probanden funktionieren.
  2. Im selben Umfang kann man auch Nicht-Hypnotisierte zu solchen Verhaltensweisen bringen, wenn man sie denselben experimentellen Anforderungen und demselben sozialen Druck aussetzt
  3. Es ist kaum möglich, aus solchen Experimenten Schlüsse zu ziehen, da den Teilnehmer gewöhnlich klar ist, daß es sich nur um Experimente handelt, und daß es verborgene Sicherheitsmaßnahmen geben muß.
  4. Es ist äußerst fraglich, ob man Hypnotisierte durch Suggestivphänomene wie Halluzinationen „tatsächlich“ täuschen kann, um sie auf diese Weise beliebig manipulieren zu können. Es spricht vielmehr sehr viel dafür, daß zumindest ein unterbewußtes Wissen um die wahre Lage der Dinge selbst in der „tiefsten“ Hypnose und bei den „profundesten“ Halluzinationen fortbesteht.
  5. Es gibt ganz wenige Berichte von Kriminalfällen, bei denen Hypnose zur Begünstigung von Verbrechen eingesetzt wurde. Abgesehen von anderen Unklarheiten  ist es allerdings sehr fraglich, ob Hypnose „an sich“ eine ausschlaggebende Rolle gespielt hat.
  6. Es gibt Fälle von sexuellem Mißbrauch während Hypnosesitzungen. Die ursächliche Bedeutung der Hypnose ist allerdings zweifelhaft, und es kommt auch bei anderen Therapieverfahren zu ähnlichen Übergriffen.
  7. Hypnotisierte können zwar das Gefühl des hypnotischen Zwanges erleben, doch es spricht vieles dafür, daß hier eine Veränderung der subjektiven Wahrnehmung vorliegt und kein „objektiver“ Zwang, der über den sozialen und situativen Druck hinausginge.
  8. Auch posthypnotische Suggestionen können zum Gefühl eines Zwanges führen, oder es kann Amnesie (Erinnerungslosigeit) für den posthypnotischen Auftrag vorliegen.  Auch hier haben wir es jedoch offenbar nicht mit einem tatsächlichen Kontrollverlust zu tun, sondern „nur“ mit einer Veränderung des Erlebens.
  9. Zwar zeigen Hypnotisierte oftmals ein großes Maß an Gehorsam während entsprechender Experimente. Jedoch ist der Gehorsam „wacher“ Versuchsteilnehmer mindestens genau so groß.
  10. Ungeachtet des Gesagten gilt, daß Hypnose – aufgrund der mit ihr verbundenen sozialen Rolle  -unter  Umständen eine negative Beeinflussung begünstigen kann, so wie das auch für andere soziale Kontexte der Fall ist. Außerdem findet Hypnose oftmals in Situationen statt, in denen ein „Autoritätsgefälle“ besteht, insbesondere in Experimentalsituationen, in der Therapie oder während Shows. Deshalb muß man Vorwürfe erstnehmen, daß ein Hypnotiseur verantwortungslos oder gar kriminell handelt, etwa indem er Patienten sexuell mißbraucht. Insbesondere bei irgendwie „seltsamen“ Geschichten muß jedoch unbedingt ein psychopathologischer Hintergrund in Erwägung gezogen und gegebenenfalls durch einen Fachmann bzw. eine Fachfrau untersucht abgeklärt werden.
  11. Wenn die Hypnoseforscher heutzutage wesentlich skeptischer sind als frühere Generationen, so liegt dies nicht daran, daß sie unwissend wären. Vielmehr hat eine eingehende Forschung gezeigt, daß die Dinge kompexer sind, als man früher dachte, und daß manches kein Beweis ist, was auf den ersten Blick wie ein Beweis aussehen mag.
  12. Wenn es heißt, daß man mit Hypnose niemanden dazu bringen kann, Dinge zu tun, die er im Wachzustand nicht auch tun würde, dann wird das oft falsch verstanden. Diese Aussage bedeutet keineswegs, daß man Hypnotisierte nicht zu (scheinbaren) Verbrechen anstiften könnte. Das kann man sehr gut. Die Aussage bedeutet, daß es auch ohne Hypnose geht, und daß die Aussagekraft solcher Experimente mit Vorsicht zu beurteilen ist.
  13. Es mag sein, daß manche Kliniker, die der Möglichkeit von Hypnose-Verbrechen skeptisch gegenüberstehen, sich nicht eingehender mit der Thematik beschäftigt haben, und einfach die Ergebnisse der Hypnoseforschung übernehmen. Diese wenigstens weiß aber sehr wohl, wie sie zu ihrer Haltung kommt.
  14. Zwar konnte die Hypnoseforschung vielleicht nicht definitiv beweisen, daß man Hypnotisierte nicht zu Dingen bewegen kann, die sie im „Wachzustand“ nicht täten; jedoch erscheint diese Annahme vor dem Hintergrund zahlreicher Experimente zumindest als unwahrscheinlich.

Resümee: Es gibt kaum etwas einfacheres, als Hypnotisierte zu den unglaublichsten Dingen zu bewegen. Bewiesen ist damit aber noch gar nichts!

Abschließende Bemerkungen

Obwohl das Thema hochgradig komplex ist, hoffe und glaube ich, wenigstens einen ungefähren Einblick in die sachlichen Grundlagen gegeben zu haben.

Letztlich muß jeder Interessierte selbst zu seiner eigenen Einschätzung kommen.

Wenn plausibel werden konnte, daß die Dinge nicht so einfach sind, wie sie auf den ersten Blick erscheinen mögen, und die Hypnoseforschung nicht so naiv ist, wie man dies meinen mag, dann hat dieser Text seinen Zweck erfüllt. Wenn man sich wirklich ein fundiertes Urteil bilden möchte, so kann dieser Blog natürlich nur eine Einführung sein und die Lektüre weiterführender Fachliteratur nicht ersetzen! (Siehe Literaturliste unten.)

Die Gesichtspunkte, die hier angesprochen wurden, findet man außerhalb der Hypnoseforschung leider kaum irgendwo. Sie fehlen in fast jeder Diskussion und auf nahezu jeder Website.  Wie ich eingangs beschrieben habe, gibt es selbst Psychologen, die zwar offensichtlich keine genaueren Kenntnisse des Themas besitzen (was an sich noch keineswegs schlimm wäre), jedoch mit wenig qualifizierten Experimenten und Äußerungen an die Öffentlichkeit drängen.

Dies ist bedauerlich. Daher hätte ich am Ende noch eine Bitte an Sie:  Sollten Sie die dargebotenen Informationen als interessant empfinden und den Wunsch verspüren, etwas zu ihrer Verbreitung zu tun, dann machen Sie es ruhig! Sie könnten beispielsweise diese Seite weiterempfehlen oder verlinken, wenn sich das anbietet (natürlich ohne zu „spammen“).

Denn angesichts der einseitigen Informationslage halte ich es für wirklich wichtig, daß die hier besprochenen Sichtweisen und Argumente mehr Verbreitung erfahren.

So oder so bedanke ich mich für Ihr Interesse.

Ich habe diesen Artikel in der Begrifflichkeit der State-Theorien verfaßt, um den Zugang zu erleichtern. Damit will ich aber keine Stellung in der State-Nonstae-Debatte nehmen.  Falls Sie sich für dieses Thema interessieren, können Sie etwas dazu in der Literaturliste finden.

Ganz  zum Schluß

Ich will meinen Blog nicht so verstanden wissen, daß ich zu Experimenten zum Thema Hypnose-Verbrechen rate.  Solche Versuche können nicht nur psychologisch belastend sein; ohne großen Aufwand lassen sich ohnehin kaum Experimente durchführen, die eine ernsthafte Aussagekraft besitzen.

Anmerkung

Falls Sie diesen Artikel informativ fanden, könnte Sie auch Texte aus meinem „Haupt-Blog“ interessieren:

http://hypnoseinfos.wordpress.com/

Insbesondere könnten folgende Artikel Sie interessieren: „Hypnose ohne und gegen den Willen“ und „Die Bedeutung der Motivation für die Hypnose“.

Literatur

Ganz bewußt wurde in diesem Text auf die Nennung von Experimenten und Artikeln verzichtet, damit er leicht zu lesen ist.

Einige Hinweise soll es für Interessierte aber hier geben.

http://www.nzzfolio.ch/www/d80bd71b-b264-4db4-afd0-277884b93470/showarticle/4811c806-398b-43cb-9ebb-a9164462e76d.aspx

Dieser Artikel der Neuen Züricher Zeitung ist recht interessant. Leider wird allerdings nicht berichtet, daß die bekannten Experimente von Rowland und Young mit den Schlangen und Säuren wiederholt wurden.

Dabei hat man nämlich adäquate  „wache“ Kontrollgruppen benutzt und fand heraus, daß auch sie den Befehlen gehorchten. Und auch nicht, daß die junge Frau, die sich ausziehen sollte und weigerte, durch die hypnotische Illusion zu täuschen versucht wurde, sie sei allein.

http://www.hpz.com/gratishypnosebuch/hypnosebuch.html#manipulation

Hier eine kleine Erläuterung zum „hidden observer“ bzw. zur unterbewußten Informationsverarbeitung. Überhaupt sind die Seiten von Hans-Peter Zimmermann gut gemacht und inhaltlich reich und vielseitig.

Vorsicht: Alles weitere sind Fachartikel, die in Englisch abgefaßt und ziemlich anspruchsvoll sind.

http://www.sas.upenn.edu/psych/history/orne/orne1962estabrooksbc.html

Einer der zentralen und wichtigsten Texte überhaupt. Er ist zwar von 1962, enthält aber sehr wichtige Überlegungen, die sich später bestätigen sollten. Ausgesprochen einflußreich für die Hypnoseforschung.

http://www.psych.upenn.edu/history/orne/orneetal1965jpsp189200.html

Ebenfalls ein wichtiger, eher konkret-experimenteller Artikel. Unverzichtbar! Einige wichtige Literaturhinweise finden sich in einem Paper von Wagstaff sowie einem Bericht des BPS:

http://www.sagepub.com/bartolstudy/articles/Wagstaff.pdf

http://www.bps.org.uk/downloadfile.cfm?file_uuid=A7AF6617-1143-DFD0-7E14-10B42D589040&ext=pdf

Zur Lektüre empfohlen seien beispielsweise die Arbeiten von Calverley  &Barber; Barber, Levitt et al. und die beiden Artikel von Coe, Kobayashi und Howard.

Ein Übersichtsartikel, der sich auch mit unserem Thema beschäftigt und weiteren Literaturhinweise bietet, findet sich im Oxford Handbook of Hypnosis:

„Heap, M. (2008) Hypnosis in the courts. In M.R. Nash & A.J. Barnier (Eds.) The Oxford Handbook of Hypnosis. Oxford: Oxford University Press, pp 745-766.“

Zum Thema „hypnotischer Zwang“ sei auf die Übersicht von Lynn und Sivec verwiesen:

„Lynn, S.J. & Sivec, H. (1992)  The Hypnotizable Subject as Creative Problem Solving Agent. In Fromm E. & Nash M.R. (Eds.) Contemporary Hypnosis Research

Einen ähnlichen, aber kürzeren Text findet man unten auf der folgenden Seite unter der Überschrift „The ability to resist suggestion“

http://www.psych.utoronto.ca/users/joordens/courses/PsyD58/Hypno.html

Zur posthypnotischen Suggestion verweise ich – neben meinem obien verlinkten Übersichtsartikel – auf die Arbeiten von Amanda Barnier und Kevin McConkey, beispielsweise:

„Barnier, A. J. & McConkey, K. M. (1998) Posthypnotic respondung: knowing when to stop helps to keep it going. The International journal of clinical and experimental hypnosis 1998;46(2):204-19.“

„Barnier A. J.  &  McConkey K. M. (1999) Hypnotic and posthypnotic suggestion: finding meaning in the message of the hypnotist. The International journal of clinical and experimental hypnosis 1999;47(3):192-208.“

„Barnier, A. J. & McConkey, K. M. (1998) Posthypnotic responding away from the hyp notic setting. Psychological Science, 9″

Außerdem sei ein Artikel von Spanos et al. empfohlen, sowie auf die dort zitierte Literatur:

„Spanos, N. P., Menary, E., Brett, P. J., Cross, W. & ; Ahmed, Q. (1987). Failure of posthypnotic responding to occur outside the experimental setting. Journal of Abnormal Psychology, 96, 52-57.“

Zur State-Nonstate-Debatte finden Sie auf diesen Seiten mehr:

http://www.hypnosisandsuggestion.org/

(Rechtlicher Hinweis: Obwohl ich keinen Grund zur Annahme habe, daß die verlinkten Seiten rechtlich bedenkliche Elemente enthalten, kann ich dies natürlich auch nicht ausschließen, zumal sich Inhalte auch ändern können. Ich kann daher keine Verantwortung für die verlinkten Seite übernehmen. Sollten sich irgendwo rechtlich oder ethisch bedenkliche Inhalte auf ihnen finden, so distanziere ich mich von ihnen.)

25 Gedanken zu „Hypnose-Verbrechen“

  1. Endlich mal jemand, der weiß wovon er redet! Danke für diese ausführliche Darstellung. Ein Hinweis zu Estabrooks: Wenn er sagt, man müsse schon eine Leiche im Laboratorium in Kauf nehmen, so will er damit meiner Meinung nach lediglich darauf hinweisen, dass das wohl fast der einzige Weg ist, auszuschließen, dass die Versuchsperson (zumindest unbewusst) weiß, dass es sich um ein Experiment handelt. Ich weise an dieser Stelle immer gerne auf die Medikamentenforschung hin, bei der man immer mit Doppelblind-Versuchen arbeitet. Dabei weiß weder der applizierende Arzt noch die Versuchsperson ob sie ein Placebo bekommt oder eine Gabe mit Wirkstoff! Aus gutem Grund! Denn selbst dort weiß man, dass sich das Wissen des Arztes auch nonverbal und unbewusst übertragen kann. Wie will ich das im Rahmen der Hypnose sicher stellen? Auch der Hypnotiseur dürfte nicht wissen, ob es ein Experiment ist oder Wirklichkeit. – Deshalb Estabrooks Leiche.

  2. Vielen Dank für die netten Worte!

    Im Prinzip gebe ich Ihnen recht. Wenn man wirklich glaubhaft machen könnte, daß man Menschenleben aufs Spiel setzt, dann wäre das Experiment aussagekräftig.
    Nun ist das aber in der Praxis wohl nicht möglich. Das Problem ist nach meinem Dafürhalten, daß der Proband immer davon ausgehen wird, daß es Schutzmaßnahmen geben MUSS.
    Selbst wenn dies nicht der Fall wäre und der Experimentator kriminellerweise das Leben seiner Versuchsperson oder das Leben Dritter aufs Spiel setzen würde, würde der Proband sehr wahrscheinlich nicht an den Ernst der Situation glauben….bis es zu spät wäre.

    Martin Orne hat in dem oben verlinkten Text aus dem Jahre 1962 ein kluges Argument geäußert:
    Wenn der Proband glaubt, daß der Experimentator nicht aus persönlichem Interesse handelt, sondern aus wissenschaftlicher Neugier, dann wird er „automatisch“ annehmen, daß der Versuchsleiter auch für Sicherheitsmaßnhemen gesorgt hat – bei jedem Experiment.

    Aus diesem Grund hat man Versuche außerhalb des experimentellen Settings unternommen, bei denen der Eindruck vermittelt werden sollte, daß der Hypnotiseur aus ganz persönlichem Eingeninteresse handelt.

    Man machte dazu erst ein „offizielles“ Experiment und setzte dabei einen posthypnotische Trigger bei den Probanden. Man erweckte dann den Eindruck, daß das Experiment zu Ende ist.
    Einige Tage später begegnete der Hypnotiseur dem Probanden „zufällig“ außerhalb des Labors.

    Dabei gab der Hypnotiseur dann das posthypnotische Signal für die Reinduktion.
    Der Hypnotiseur (ein Student) befahl seinen Probanden dann, Prüfungs-Unterlagen zu stehlen, die ihm nützlich wären.
    Der Auftrag, der gegeben wurde, sollte also so aussehen,als sei er nicht durch „wissenschaftliche Neugier“ begründet, sondern entspringe dem Eigeninteresse des Hypnotiseurs.
    Dadurch und durch den informellen Charakter des Experiments sollte sichergestellt werden, daß die Probanden nicht merketen, daß sie in Wahrheit gerade einem Experiment teilnehmen.

    Selbst DANN dachten sich aber die meisten Hypnotisierten, daß in Wahrheit doch alles ein abgekartetes Spiel und doch nur ein Experiment ist.
    (Aus solchen Gründen auch meine Aussage, daß Hypnotisierte selbst bei Versuchen, die wesentlich raffinierter als die Internet-Videos sind, kaum zu täuschen sind.)

    Erst bei einem weiteren Versuch derselben Forschergruppe (Coe, Kobayashi & Howard) gelang es, die meisten Hypnotisierten erfolgreich in die Irre zu führen. (Das Experiment war ähnlich, aber noch sorgfältiger konzipiert, aber ich hab die Details nicht mehr im Kopf.)
    Es wurde so getan, als sollten die Versuchsteilnehmer für den Hypnotiseur Heroin verkaufen. Der Versuch ist in dem Link zur „Neuen Züricher Zeizung“ beschrieben.
    Das Ergebnis war, daß die Hypnotisierten nicht gehorsamer waren als die Kontrollgruppe.

    Man muß den Probanden für ein aussagekräftiges Experiment im Grunde vermitteln, daß sie selbst keinesfalls Probanden sind, die an einem Experiment teilnehmen, und daß der Experimentator gar kein Experimentator ist, sondern ein Krimineller, der aus reinem Eigeninteresse handelt. Und das ist unglaublich schwierig….
    Nur sind diese Überlegungen leider nicht so eindrücklich wie ein Video, wo jemand „in tiefer Trance“ mit Pistole in der Hand dasteht und abdrückt…

  3. Dieser hier veröffentlichte Text ist insgesamt sehr gut gelungen; trägt er doch in grundsätzlichem wissenschaftlichen Maße vielfältig Thesen zusammen. Eine sehr empfehlenswerte Zusammenfassung zum Thema Hypnose und Verbrechen.

    Ergänzend, und dennoch dieses spezielle Thema nur streifend, möchte ich allerdings noch ein paar generelle Thesen zur Hypnose aufstellen:

    Der Verfasser dieses Textes, diskutiert an anderer Stelle immer wieder einmal die verschiedenen Ansichten der „state“ und „non-state“ Haltungen zur Hypnose. Ich dagegen vertrete einen anderen Ansatzpunkt, der sich vornehmlich aus den systemischen und konstruktivistischen Ansätzen ergibt.

    Menschen nehmen nicht Realität an sich wahr; unser Gehirn konstruiert sich, situationsadäquat, zieldienliche Realitäten. Wir könnten also besser von Wahrgebung, denn von Wahrnehmung sprechen. Damit werden auch die vielfältigen hypnotischen Phänomene (Halluzinationen, etc.) erklär- und verstehbar. Ebenso die typischen Krankheitsymptome bei Psychosen.

    Demnach können also mittels Hypnose keine Halluzinationen erzeugt, angeregt oder induziert werden, sondern mittels hypnotischer Prozesse, kann ein Mensch anscheinend Einfluss auf seine Realitätskonstruktionsprozesse nehmen.

    Daraus ergeben sich weitreichende Konsequenzen, auch für dieses Spezialthema hier; ausserdem wird eine mögliche Diskussion über „state“ und „non-state“ größtenteils überflüssig.

    Unsere Wissenschaft arbeitet doch hauptsächlich über Statistiken und Zahlen. Selbst die direkten, empirischen Experimente, die auch an dieser Stelle immer wieder gerne herangezogen werden, sagen nichts weiter aus, dass die jeweiligen „Ergebnisse“ bei den jeweiligen Probanden eben so oder so waren. Rückschlüsse zu ziehen, auf den Großteil der Bevölkerung sind meines Erachtens sehr waghalsig und entbehren jeglicher wissenschaftlicher Grundlage. Dies ist nicht als Kritik an diesem Text zu sehen, sondern allgemein wisschaftliche Kritik.

    Leser, die an weiteren Informationen zu meinem Kommentar interessiert sind, können sich modernerweise über Google, bei folgenden Autoren informieren: Gunther Schmidt, Fritz B. Simon, Gregory Bateson, Francisko Varela, Stephen Gilligan.

    Tom.

  4. Endlich mal eine vernünftige Aufklärungsseite über Hypnose. Einige sind wirklich der Meinung, dass man einen Hypnotisierten mit Halluzinationen „zu allem“ bringen könnte. Diese Auffassung gehört ins Reich der Fantasie und Hollywoodfilme. Hypnotische Halluzinationen sind anders als die von Drogenkonsumenten und Schizophrenen. Es gibt bei noch so tiefer Trance ein „Restbewusstsein“, dass zwischen Realität und Illusion unterscheidet. Das ist genauso wie beim Horrorfilm gucken. Egal wie sehr man in den Film vertieft ist, die Realität hat man sozusagen immer im Hinterkopf. Das Beispiel mit dem suggerierten leeren Stuhl ist auch gut. Ob auf einem Stuhl jemand sitzt oder nicht, sieht jeder. Realitätskonstruktion des Gehirns hin oder her. Das ist keine subjektive Wahrnehmung (wenn ihr wisst was ich meine). Und das weitet sich auf alle suggestiven Halluzinationen aus.

  5. Mein Kommentar bezieht sich nicht auf den ganzen Text, sondern nur auf die Behauptung, die neuere Literatur zum kriminellen Missbrauch der Hypnose sei der älteren vorzuziehen. dies halte ich für falsch.

    Man möge aber Folgendes bedenken:
    Nachdem die brutalen KZ-Versuche der Nationalsozialisten ans Licht gekommen waren, wurden wissenschaftliche Experimente mit Menschen zunehmend skeptischer betrachtet. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts stießen ethisch fragwürdige Experimente mit menschlichen Versuchspersonen und zunehmend auch mit Tieren auf sich verschärfende Kritik. Heute gibt es an Universitäten überall in der Welt so genannte Ethik-Kommissionen, die streng über die Einhaltung ethischer Standards wachen.
    Aus diesem Grunde wurden Experimente, die eine Grundlage für geheimdienstliche, militärische oder kriminelle Anwendungen der Hypnose bilden könnten, immer seltener in öffentlich zugänglichen Schriften publiziert. Ich habe zwar keinen Zweifel daran, dass ethisch fragwürdige oder gar verwerfliche Experimente dennoch verwirklicht und dokumentiert wurden, aber diese Forschungsberichte unterliegen, so es sie gibt, aus nachvollziehbaren Gründen der Geheimhaltung.
    Welches Gewicht diese Einschränkungen besitzen, zeigt sich schon an der schlichten Tatsache, dass heute eine Täuschung von Versuchspersonen als unethisch gilt, diese für Hypnose-Experimente mit kriminellem, geheimdienstlichen oder militärischen Hintergrund aber unerlässlich ist.
    Seit Mitte des vorigen Jahrhunderts konzentriert sich die psychologische Forschung darauf, beobachtbares Verhalten zu quantifizieren und statistisch auszuwerten. Seit einigen Jahrzehnten wird darüber hinaus das Zusammenspiel von beobachtbarem Verhalten und der Aktivität des Gehirns quantitativ erfasst. Dies wurde möglich dank des rasanten Fortschritts der Computer-Technik und der bildgebenden Verfahren (Computertomographie etc.).
    Infolge dieser Schwerpunktsetzung wurden die qualitativen Aspekte psychischer Prozesse ebenso vernachlässigt wie das Innenleben. Die Introspektion wurde als seriöses Mittel psychologischer Forschung verworfen. Die Hypnose ist aber kein Vorgang, der von außen beobachtet und quantifiziert werden könnte, sondern sie ist ein Prozess, der in der Innenwelt abläuft. Informationen über ihn erhält man nur durch Befragung der Hypnotisierten und durch qualitative Deutungen des gesamten inneren und äußeren Kontexts, in dem dieser Prozess auftritt.
    Die ältere Literatur zur Hypnose bietet also zwei Vorzüge: Die in ihr geschilderten Experimente unterlagen nicht den ethischen Beschränkungen, die heute unausweichlich sind. Und sie unterlagen auch nicht den methodischen Beschränkungen, die heute zwar nicht unausweichlich sind, aber als „wissenschaftlich“ gelten.

    Man könnte es sogar noch schärfer formulieren – und kürzer: Neuere Hypnose-Experimente taugen schon allein deswegen nicht zur Entscheidung der Frage, ob kriminelle Hypnose möglich sei, weil es heute nicht mehr möglich ist, die Methoden krimineller Hypnotiseure einzusetzen. So wäre es heute im Rahmen legaler Experimente nicht statthaft, einer Versuchsperson zu suggerieren, dass sie im Falle des Ungehorsams depressiv werde, panische Angst verspüre oder sich das Leben nähme.

  6. @ UlrichGresch:

    Recht herzlichen Dank für Ihren Kommentar!!
    Was den teileweise noch immer zu starke behavioristische Zugangsweise der Psychologie angeht, so stimme ich Ihrer Kritik zu; ansonsten jedoch bin ich eher anderer Auffassung. Ich finde Ihre Anmerkungen aber auf jeden Fall anregend und möchte sie, wenn Sie gestatten, gerne ausführlicher auf sie eingehen:

    Hypnoseforschung allgemein

    – Es ist allgemein ein Problem, dass Hypnotiseure oft sehr aus der Außenperspektive berichten, und die Introspektion ihrer „Subjekte“ wenig berücksichtigen. Das gilt auch meistens für die alte Literatur, und zwar in recht hohem Ausmaß. (Natürlich gibt es partielle Ausnahmen wie etwa Bramwell.) In der modernen Hypnoseforschung ist das problem zwar auch noch da, aber deutlich aufgeweicht. In seinem bekannten Standardwerk „Hypnotic Susceptibility“ von 1965 geht Ernest Hilgard beispielsweise ziemlich gut und ausführlich auf das subjektive Erleben der Probanden ein und lässt diese auch zu Wort kommen, etwa durch Auszüge aus Interviews. Ebenfalls sehr erwähnenswert ist die australische Tradition mit Forschern wie Sheehan, McConkey, Barnier u.a. (Bsp: Sheehan & McConkey:“Hypnosis and Experience: The Exploration of Phenomena and Process“. Hillsdale, N.J.: Erlbaum, 1982). So wurden beispielsweise verschiedene Stile des Reagierens auf Suggestionen (konzentrativ vs. konstruktiv) herausgearbeitet. (Ich werde unten auch noch die junge Dissertation von D. Mallard verlinken, der in dieser australischen Tradition geforscht hat.) Trotz aller Mängel und Verbesserungspotentiale: Was die modernere Hypnoseforschung zum subkektiven Erleben der Hypnotisierten herausgearbeitet hat, geht m.E. weit über das hinaus, was in den frühen Zeiten (erste Hälfte des 20. Jh.: und davor) eruiert wurde.

    – Erst in der neueren Hypnoseforschung ( insbesondere etwa ab 1960) werden hypnotische Rolle und genuin hypnotische Erfahrung sorgfältig auseinander gehalten. Zuvor hatte oft (wenn auch nicht immer) überhaupt das Bewusstsein dafür gefehlt, dass und in welch erheblichem Ausmaß hypnotisches Erleben und Verhalten durch situative und soziale Einflüsse imbestimmt wird (Stichwort „Demand Characteristics“).So wurden dann auch Designs wie das Real-Simulanten-Modell entwickelt, die dabei helfen, nicht-hypnotische variable zu kontrollieren. Durch solche methodieschen Fortschritte wurden m.E. erst die Grundlagen für ein adäquates Verständnis vieler Eigenschaften der Hypnose gelegt.

    Gehorsam unter sehr hohem Druck

    – Natürlich ist es prinzipiell durchaus möglich, dass bei den bekannten neueren Experimenten zu Hypnose-Verbrechen nur deswegen der Gehorsam der Hypnotisierten nicht größer war als der von Wachen, weil kein extremer sozialer Druck ausgeübt wurde. Denn tatsächlich wurde bei den relevanten Versuchen ja kein extremer Druck aufgebaut. Immerhin war der Druck aber auch nicht gering, denn Probanden hatten laut postexperimentellen Interveiews bei manchen Experimenten Schuldgefühle, oder sie zeigten klare Anzeichen von Stress oder mussten gedrängt werden, Befehle auszuführen, oder weigerten sich teilweise trotz wiederholter Befehle konstant. (Und wir wissen ja durch Milgram, welch hoher sozialer Druck bereits bei einem „normalen“ Experiment entstehen kann. Wir haben nun folgende Situation:

    a) Bei relativ geringem sozialem Druck ist der Gehorsam (tief) Hypnotisierter nicht höher als der von Wachen, und sogar tendenziell geringer. Siehe etwa:
    http://www.psych.upenn.edu/history/orne/orne1966ajp721726.html
    Oder ausführlicher:
    http://www.psych.upenn.edu/history/orne/orne1970inarnoldpagebc.html

    b) Bei einem relativ hohen sozialen Druck wie in den Experimentenvon Orne & Evans, Calverley & Barber, Levitt et al., Coe et al., ist der Gehorsam von (tief) Hypnotisierten und Wachen gleich, wobei die Tendenz wenn schon auch eher die zu sein scheint, dass Wache eher etwas gehorsamer sind.

    c) Was passieren würde, wenn man sowohl Hypnotisierte wie Wache einem extremen Druck aussetzt, ist nicht erforscht, oder jedenfalls nicht bekannt; aber die naheleigende Schlussfolgerung ist doch, dass vermutlich sowohl bei den Wachen wie bei den Hypnotisierten die Gehorsamsrate bei steigendem ssozialem Druck ebenfalls weiter ansteigen würde, ohne signifikante Unterschiede zwischen den beiden Gruppen.

    Dass Hypnotisierte und Wache bei geringem und mittelhohem Druck gleich reagieren, aber ab hohem Druck Hypnotisierte prötzlich viel mehr gehorchen, ist zwar nicht ausgeschlossen, a priori aber auch nicht neheliegend; wieso sollte es so sein, dass Hypnose zu einer deutlichen Erhöhung des Gehorsams führt, aber erst ab einem sehr hohen Druck, und nicht ab einem geringen oder mittelhohen? Eine lineare Fortsetzung von a) und b) auf c) hin ist deutlich plausibler und wird indirekt auch durch sozialpsychologische Versuche wie die Milgram-Experimente nahegelegt, die zeigen, wie hoch auch der Gehorsam „Wacher“ untr solchen umständen ist. Die Tatsache, dass bei allen adäquat kontrollierten Versuchen die Bereitschaft (tief) Hypnotisierter zum Gehorsam keineswegs größer als bei „Wachen“ ist, suggeriert nahe, dass (tiefe) Hypnose zu besonderm Gehorsam führt.

    Differenzierung von hypnotischen und non-hypnotischen Variablen

    Natürlich ist es beispielsweise möglich und auch plausibel, dass der Gehorsam Hypnotisierter höher würde, wenn den „Subjekten“ massiv gedroht würde, etwa dass sie sterben oder depressiv werden, wenn sie den Befehlen nicht nachkommen.

    Nur ist die Frage, ob dieser gesteigerte Gehorsam dann an der Hypnose als solcher oder dem sozialen Druck läge.

    Die zweite Alternative erscheint mir als wesentlich plausibler. Denn solche Drohungen stellen ja erst mal nichts speziell Hypnotisches dar (auch wenn sie im speziellen Fall nur vor dem Hintergrund einer Hypnose ihre Glaubwürdigkeit entfalten mögen aufgrund der Macht, die dem Hypnotiseur womöglich zugeschrieben wird).

    Um hier zu aussagekräftigen Analysen zu kommen, müsste man entweder eine Drohung finden, die für (tief) Hypnotisierte wie für Wache gleichermaßen plausibel ist, oder man müsste – was methodisch problematisch sein dürfte – für Wache eine alternative Einschüchterung finden, die genau so glaubwürdig und schwerwiegend ist wie diejenige im Fall der hypnotischen Gruppe. Hier handelt es sich natürlich um theoretische Überlegungen, denn so ein Vorgehen wäre in der Tat hoch unethisch.

    Aus den Experimenten, die wir jedoch kennen (z.B. die beiden von Coe et al.), scheint Folgendes zu folgen: Hypnotisierte gehorchen nicht mehr als Wache; wenn der Experimentator jedoch eine Beziehung zu seinen Probanden aufgenaut hat, ist die Gehorsamsrate im Fall von Wachen wie von Hypnotisierten erhöht. Das legt zusammen mit den anderen Experimenten nahe, dass Hypnotisierte so auf psychosoziale Variable reagieren wie „Wache“. Dafür, dass das im Fall von Drohungen anders sein sollte, scheint zumindest nichts speziell besonders zu sprechen.

    Das einzige, was mir hier plausibel zu sein scheint, wäre, dass der Hypnotiseur eventuell mehr Möglichkeiten zur glaubwürdigen Drohung besitzt als der normale Experimentator gegenüber einem Wachen. Dies könnte indirekt den Gehorsam ein Stück weit erhöhen. (Wie weit das allerdings tatsächich der Fall ist, ist nicht klar; und persönlich bezweifle ich, dass der Effekt allzu exorbitant wäre.)

    Hypnose-Verbrechen: Alte vs. neuere (bekannte) – Experimente

    Zuerst möchte ich auf die bekannten Versuche eingehen; auf mögliche geheime Versuche und Ihre in diesem Zusammenhang geäußerten Überlegungen komme ich weiter unten noch zu sprechen.

    – In den alten Versuchen wurde oft einfach („naiv“)davon ausgegangen, dass die Hypnotisierten alles unkritisch aufnehmen, was man ihnen sagt: So wurden sie dann mit Gummidolchen ausgerüstet, von denen man ihnen suggerierte, es seien echte Waffen, gegen andere Menschen geschickt, um diese zu verletzen. (Wie sehr auch unbewusstes oder amnestisches Wissen das Verhalten prägen kann, ist inzwischen deutlich geworden). Später wurden Experimente dann realistischer, wie etwa die berühmten Versuche von Rowland und Young mit den Säuren und Schlangen. Aber auch hier wurden sowohl angemessene Kontrollgruppen wie entsprechende postexperimentelle Befragungen versäumt. Später erst verwendete man angemessene Kontrollgruppen, soweit ich weiß überhaupt erst ab den wichtigen Versuchen von Orne und Evans von 1965 (bei denen die Studien von Rowland und Young rpliziert und erweitert wurden).

    – Durch das Einbeziehen von angemessenen Kontrollgruppen sind die neueren Experimente den älteren nicht nur methodisch überlegen, sondern m.E. überhaupt erst in der Lage, das Verhalten von Hypnotisierten und Nicht-Hypnotisierten aussagekräftig zu vergleichen. Und das ist ja ein zentrales Erfordernis für jede Untersuchung der Frage, ob Hypnose Verbrechen begünstigt. Denn wie will man ohne einen Vergleich zwei Gruppen vergleichen? Die alten Experimentatoren gingen einfach mal aus heutiger Sicht „balauäugig“ davon aus, dass „Wache“ ja eh keinem in irgendeiner Weise peinlichen oder veermeintlich unsozialen Befehl nachgehen würden. Und so meinten sie, komplett auf Kontrollgruppen verzichten zu können.

    – Auch wurden in den neueren Versuchen die Probanden nach ihrer Erfahrung gefragt, was vorher meist gar nicht der Fall gewesen ist. Insoweit würde ich sagen, dass die moderneren Versuche zum Thema Hypnose-Verbrechen das subjektive Erleben und der subjektive Erfahrung viel ernster nehmen als die früheren, wo meist allein aufgrund des äußerlich beobachten Verhaltens Schlüsse gezogen wurden.

    – Die Befrgung der Versuchsteilnehmer durch die modernere Hypnoseforschung (in diesem Zusammenhang ab Mitte der 60er Jahre) erlaubte überhaupt erst das Design aussagekräftiger Versuchsanordnungen. Aufgrund des Experiments von Orne und Evans ist davon auszugehen, dass die „Subjekte“ selbst bei den relativ raffinierten Versuchen von Rowland und Young erkannten, dass keine echte Gefahr besteht; es ist daher anzunehmen, dass dasselbe erst recht für die anderen, „naiveren“ Experimente gilt. Aufgrund dieser Erkenntnisse versuchten Coe et al. entsprechend einem Vorschlag von Orne (1962) ein Design zu entwickeln, mit dem man Probanden tatsächlich glauben machen konnte, dass reale Gefahr besteht, und dass alles „echt“ und eben kein geplantes Experiment ist. (Dies gelang ihnen jedoch in befriedigendem Ausmaß erst in einem zweiten verbesserten und weitgehend neu konzipierten Versuch, da die Fähigkeit, Irreführungen zu erraten, offenbar sehr hoch ist.) Daher würde ich auch nicht unterschreiben, dass die moderne Hypnoseforschung nicht mit Täuschungen arbeitet; vielmehr gelang es, nach allem, was wir wissen, wohl überhaupt erst der modernen Hypnoseforschung aufgrund ihrer verbesserten Methodik, ihre Versuchspersonen beim Thema Hypnose-Verbrechen überhaupt zu täuschen.

    – Es ist aber klar, dass ein Experiment zu den Hypnose-Verbrechen nur dann aussagekräftig ist, wenn sichergestellt werden kann, dass die Probanden von einer realen Gefahr ausgehen. (Das gilt natürlich völlig unabhängig davon, ob die Gefahr tatsächlich real ist oder nicht.) Wenn die Probanden (aus vernünftigen, hypnose-unabhängigen Überlegungen) zum Ergebnis kommen, dass ein Experiment in Wahrheit wohl ungefährlich ist, dann erlaubt das Experiment keine Rückschlüsse. Auch aus diesem Grund würde ich sagen, dass die moderne Hypnoseforschung hier die besseren Noten verdient. Da sie sich im Gegensatz zu früheren Experimenten um die subjektive Wahrnehmung der Probanden kümmerte, konnten überhaupt erst aussagekräftige experimentelle Designs entstehen.

    – Auch wurden aufgrund der methodischen Probleme, Probanden hinsichtlich angeblicher Verbrechen erfolgreich zu täuschen – Probleme, die erst durch die modernere Hypnoseforschung sichtbar wurden – alternative Test-Designs entwickelt, im Sinne von Versuchen, bei denen die Probanden keine Verbrechen oder schwer selbstschädigende Handlungen begehen sollten, wohl aber Handlungen, die ihnen unangenehm waren. Hierzu zählt das Vebrenen von Nationalflaggen oder das Beschädigen von Bibeln in den Experimenten von Levitt et al. (in den USA der 70er Jahre!), oder die Verleumdungsbriefe in den Experimenten von Calverley und Barber, oder die homosexuellen Annäherungsversuche, die in den Studien von Rabuck und O’Brian Heterosexuellen befohlen wurden. Solche Experimente können die Frage nach den hypnose-Verbrechen zwar streng genommen nicht unmittelbar beantworten, sind aber dennoch indirekt relevant, weil sie über den gehorsam Hypnotisierter etwas aussagen. Auch durch dieses Design hat die moderne Hypnoseforschung Erkenntnisse gewonnen.

    – Die kontrollierten und durch postexperimentelle Interviews evaluierten Experimente der modernen Hypnoseforschung mit ihrem weiterentwickelten Design muten mir daher viel aussagekräftiger an als die alten, aus heutiger Sicht „naiven“ Versuche ohne jedwede akkurate Kontrollgruppe und ohne und Prüfung der Glaubwürdigkeit der befohlenen Verbrechen. Mir ist kein älteres bekanntes Experiment zum Thema bekannt, das nicht an schweren methodischen Mängeln der beschriebenen Art leiden würde.

    – Wenn mir jemand einen Versuch aus der „alten Zeit“ (vor den 60er Jahren) präsentieren kann, bei dem a) Hypnotisierte massiv unter Druck gesetzt wurden, in einer Weise, wie das heute nicht mehr (offiziell) möglich ist, bei dem b) Nicht-Hypnotisierte genau so intensiv und glaubwürdig bedroht wurden, c) mit dem Ergebnis, dass dass die Hypnotisierten signifikant gehorsamer waren als Wache, dann wäre dies in der Tat ein sehr bedenkenswertes Argument.
    Jedoch habe ich größte Zweifel, dass es solch ein Experiment gibt, welchs eine adäquate Kontrollgruppe benutzt und dadurch in der Lage ist, hypnotische und nicht-hypnotische Faktoren zu differenzieren und dadurch jeweils zu bestimmen; jedenfalls ist mir nichts dergleichen bekannt. (Auch dann müssten genau genommen immer noch die Möglichkeit ausgeschlossen werden, dass Hypnotisierte (aus vernünftigen, nicht-hypnotischen Überlegungen heraus) eine Irreführung vermutet haben, die Wachen aber nicht; hierzu würden sich etwa postexperimentelle Interviews und Simulanten als Kontrollgruppe anbieten.)

    Dass es hingegen viele Versuche gibt, bei denen Hypnotisierte scheinbare verbrechen begangen haben, selbst ohne besondere Drohungen, ist natürlich wahr; aber damit wären wir wieder am Ausgangspunkt.

    – Soweit mir jedenfalls bekannt, ist das Ergebnis sämtlicher adäqauat kontrollierter und valider Experimente, dass Nicht-Hypnotisierte so gehorsam sind wie (tief) Hypnotisierte, wobei, wenn eine Tendenz besteht, die Nicht-Hypnotisierten eher etwas gehorsamer zu sein scheinen.

    Geheime Experimente

    – Unbekannte und geheime Experimente mögen stattgefunden haben, und das ist ja immerhin plausibel. Das würde ich noch als plausible Annahme akzeptieren. Was wir aber bräuchten, um das besondere Missbrauchpotential der Hypnose zu beweisen, wären zwei weitere Annahmen:

    1) Die Experimente müssen adäuat kontrolliert und auf ihre Validität hin evaluiert worden sein (im beschriebenen Sinne). Schon da habe ich große Zweifel; wir wissen es nicht. Wenn überhaupt Kontrollgruppen verwendet werden, dann vielleicht nur inadäquate wie bei Young.

    2) Aber auch, wenn wir das einmal zugestehen und annehmen, dass solche Versuche mit aussagekräftigem Design und angemessener Kontrollgruppe heimlich gemacht wurden, wissen wir keineswegs, wie sie ausgegangen sind. Wir wissen nicht, ob die wache Kontrollgruppe signifikant weniger gehorsamer war als die hypnotische Gruppe. Und was sollte uns veranlassen, das zu glauben? Das wäre doch letztlich reine Spekulation, soweit ich das zu ersehen vermag; und im Angesicht der bekannnen Experimente auch keine sonderlich plausible.

    Hypnotisches Verhalten als motiviertes Tun

    – Die modernere Hypnoseforschung betrachtet hypnotisches Verhalten – und wie ich meine mit gutem Grund – weit weniger als ein automatischer Prozess denn als motiviertes Streben und intelligentes Handeln, bzw. als einen Prozess, der darauf beruht. Das wird beispielsweise im Zusammenhang mit der posthypnotischen Suggestion deutlich: Das posthypnotische Verhalten ist insgesamt weit davon entfernt, „automatisch“ zu sein. Vielmehr konnte überzeugend gezeigt werden, dass es sich dabei um sinnvolles, sozial motiviertes und situationsabhängiges Reagieren handelt:
    http://hypnoseinfos.wordpress.com/2010/09/21/die-posthypnotische-suggestion/

    Siehe dort ( ganz unten, bei der Literatur) insbesondere auch den verlinkten und online frei zugänglichen Artikel von Tobis und Kihlstrom. (Und siehe auch die Anmerkungen zur Amnesie.) Die entsprechenden neueren Erkenntnisse heben die alten Forschungen nicht auf, verlangen jedoch eine Reinterpretation der Ergebnisse. Das subjektive Empfinden des Automatismus impliziert keine objektive Automatizität.

    – Generell scheint Hypnose stark von der Motivation abzuhängen, wie beispielsweise Experimente von Barber zeigen. Hierfür spricht auch die neurophysiologische Forschung; das Umsetzen der meisten Suggestionen geht mit einer erhöhten Aktivität von frontalen Hirnregionen einher, die mit dem Exekutiven Kontrollsystem verbunden sind; ebenfalls scheint generell die Exekutive Kontrolle bei den meisten Suggestionen eine wichtige Rolle beim Reagieren zu spielen.

    Siehe zur Motivation und der sozialen Komponente beispielsweise;
    Lynn, S.J. & Rhue J.W(1991): “An Integrative Model of Hypnosis”, In: Lynn & Rhue (Hrsg.): Theories of Hypnosis: Current Models and Perspectives

    Ein sehr schöner und online verfügbarer Text jungen Datums, bei dem die verschiedenen Komponenten hypnotischen Verhaltens herausgearbeitet werden, insbesondere auch Engagement und Motivation sowie strategisches, konstruktives Reagieren, wäre folgender Text von D. Mallard:
    http://unsworks.unsw.edu.au/fapi/datastream/unsworks:552/SOURCE02

    Obwohl ich zugeben muss, dass ich dort nur spärliche Quellenangaben gemacht habe, darf ich vielleicht dennoch auch auf einige Artikel aus eigener Feder verweisen:
    https://hypnoseinfos.wordpress.com/2011/08/11/exekutive-kontrolle/
    http://hypnoseinfos.wordpress.com/2011/11/27/die-bedeutung-der-motivation-fur-die-hypnose/

    Wenn hypnotisches Verhalten jedoch letztlich ein motiviertes, intelligentes, zielgerichtetes Tun dartsellt, bzw. auf solch einem basiert, und wenn es von Absicht und Motivation abhängt, dann ist nicht zu vermuten, dass der Hypnotisierte in höherem Maße die Kontrolle verliert als ein „Wacher“ in einer vergleichbaren Situation; und dies entspricht ja auch den verfügbaren Forschungen (s.o.).

  7. Herzlichen Dank für Ihre umfassende und bedenkenswerte Antwort auf meine Einwände gegen Ihre Einstellung zur älteren Literatur über die Möglichkeit hypnotisch induzierter Kriminalität.

    Aus Zeitgründen bin ich allerdings nicht in der Lage, auf Ihren Text detailliert einzugehen. Stattdessen möchte ich nur einen Aspekt hervorheben, der mir zentral zu sein scheint:

    1. Es trifft durchaus zu, dass die moderne experimentelle bzw. quasi-experimentelle Forschung einen Fortschritt gegenüber den Gepflogenheit des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts darstellt.

    2. Dabei ist allerdings zu bedenken, dass methodische Verfeinerungen häufig nur eine Exaktheit vortäuschen, die aus pragmatischen bzw. ethischen Gründen nicht gegeben ist. Natürlich sollten Kontrollgruppen eingesetzt werden. Damit diese aber die Aussagekraft steigern, sollte idealerweise Folgendes gegeben sein: Alle Versuchsteilnehmer werden zufällig aus einer definierten Grundgesamtheit ausgewählt und sie werden ebenso zufällig auf Experimental- und Kontrollgruppe verteilt. Ist dies nicht möglich, so ist die interne Validität des Experiments natürlich bedroht und die Situation ist oftmals nicht besser als bei einem Experiment, das auf eine Kontrollgruppe verzichtete.

    3. Gravierender noch als die Bedrohung der internen Validität ist die Beeinträchigung der externen. Extern invalide ist ein Experiment immer dann, wenn die experimentellen Bedingungen mit den realen Lebensbedingungen nicht hinlänglich übereinstimmen. Denn selbst ein intern hochvalides Experiment sagt uns ja nur, wie sich Menschen unter den Bedingungen des psychologischen Labors verhalten. Ob sich dies auf die eigentlich interessierenden realen Verhältnisse übertragen lässt, ist eine offene Frage.

    4. Und nun komme ich zum eigentlichen Punkt: Wenn ein Experiment die Bedingungen krimineller Hypnose aus ethischen und/oder pragmatischen Gründen nicht hinlänglich zu reproduzieren vermag, dann taugt es nicht zur Klärung der Frage, wieweit Derartiges überhaupt möglich sei. Ludwig Mayer hat in seinem Buch „Das Hypnotische Verbrechen und seine Aufklärungsmethoden“ (1937) die Methoden eines kriminellen Hypnotiseurs und die Bedingungen des Milieus, in denen er operierte, sehr ausführlich charakterisiert. Ein Hypnose-Experiment, das die Möglichkeiten krimineller Hypnose ausloten will, kann nicht extern valide sein, wenn es nicht – zumindest in den groben Umrissen – die realen Bedingungen krimineller Hypnose widerspiegelt, wie sie beispielsweise von Mayer skizziert wurden.

    4. Mir ist kein Experiment zu dieser Frage bekannt, dass man uneingeschränkt als extern valide bezeichnet werden könnte. Die älteren Experimente, die vor dem Ende des 2. Weltkriegs veröffentlicht wurden, kommen aber, trotz größerer Bedrohungen der internen Validität, den realen Bedingungen kriminellen Hypnotisierens deutlich näher als die Versuche neueren Datums. Eine Ausnahme bilden die, ebenfalls allerdings intern nicht sehr validen, Hypnose-Experimente der CIA, die wir aus deklassifizierten Akten dieses Geheimdienstes kennen. Die CIA produzierten, jedoch auch ohne Kontrollgruppe, in den fünfziger Jahren hypnotisch dressierte Bombenleger und Messerstecher unter experimentellen Bedingungen sowie artifizielle multiple Persönlichkeiten, mit Methoden des 19. Jahrhunderts.

    5. Eine neuere Studie zeigt, dass die überwiegende Zahl der Versuchspersonen psychologischer Experimente Studenten sind. Dies dürfte auch bei derartigen neueren Hypnose-Experimenten zur hier verhandelten Fragestellung gegeben sein. Das Paar „Hochschuldozent als Hypnotiseur und Student als Hypnotisand“ entspricht aber nicht im entferntesten dem Duo „Krimineller Hypnotiseur aus kriminellem Milieu und Mensch aus der Unterschicht als Hypnotisand.“ Auch dies schränkt natürlich die Beweiskraft der von Ihnen zitierten Studien ein.

  8. Herzlichen Dank für Ihre Antwort und Ihre detaillierten und interessanten Erörterungen! Wirklich mal eine zum Denken anregende Diskussion.

    – Zuerst einmal will ich Ihnen grundsätzlich zustimmen, dass das Thema nicht nur ethisch, sondern auch methodisch äußerst „heikel“ ist und große Probleme mit der Validität bestehen.

    Interne Validität

    – Was die interne Validität der modernen Experimente angeht, so würde ich sagen, dass sie den älteren auf jeden Fall überlegen sind, aufgrund der zuvor beschriebnenen Kontrollen und methodischen Verbesserungen. (Zur externen später mehr.)

    – Auch die angeschnittene Vergeleichbarkeits-Problematik (und Randominierung) ist m.E. durch die neueren Experimente recht gut behandelt wirden:

    – Bei einigen Versuchen (z.B. Calverley & Barber) wurden einfach zwei größeren Gruppen vergleichbarer Probanden ausgewählt und die eine Gruppe wurde hypnotisiert.

    – In anderen Experimenten wurden hochsuggestible Hypnotisierte mit schlecht hypnotisierbaren Wachen („Simulanten“) vergleichen, oder auch mit zufälligen Testpersonen (z.B. Orne % Evans). Da es ja aber gerade um den Einfluss von Hypnose und hypnotischer Suggestibilität geht, sollte dies nicht allzu problematisch sein. Wenn man außerdem davon ausgeht, dass hypnotische Suggestibilität per se eher zu gesteigertem Gehorsam führt, dann begünstigt dieses „unausgewogene“ Design ja sogar eher die These, dass Hypnose zu erhöhtem Gehorsam führt

    – In anderen Versuchen wie denen von Coe et al. wurden sowohl für die Gruppe der Hypnotisierten wie für die der Wachen jeweils Versuchspersoenen mit verschieden hoher Suggestibilität verwendet. Außerdem wurde durch den Experimentator zu einigen Hypnotisierten und Wachen eine soziale Beziehung aufgebaut, zu anderen „Wachen“ und Hypnotisierten jedoch nicht. So wurden hypnotische Suggestibilität und soziale Beziehung als mögliche Einflussfaktoren kontrolliert, und soweit ich das weiß, waren die Experimentalgruppen ansonsten jeweils auch vergleichbar/randomisiert.

    – Das Wichtige oder Interessante dabei ist, dass die Wachen bei all diesen Designs nicht gehorsamer als Hypnotisierte waren, und das bei jeweils diversen Versuchen. Zusammengenommen spricht dieser Strang der Forschung recht überzeugend dafür, dass („tief“) Hypnotisierte – jedenfalls innerhalb einer „normalen“ experimentellen Situation – nicht gehorsamer ggü. unangenehmen Befehlen sind als Nicht-Hypnotisierte.

    Externe Validität

    Bei der externen Validität würde ich eine Fallunterscheidung machen wollen, die vielleicht auch in ihrem Sinne ist.

    1. Die Experimente der Hypnoseforschung konnten zeigen, dass (tief) hypnotisierbare Probanden nicht in höherem Maße als „Wache“ Straftaten begehen (wie den Verkauf von Heroin), auch wenn die Tests außerhalb des erkennbaren experimentellen Settings stattfinden und von den Testpersonen nicht durchschaut werden. Hier liegt m.E. zumindest eine bedingte externe Validität vor. Ebenfalls gilt ja auch, dass hypnotisierte Probanden nicht-kriminelle unangenehme Befehle nicht bereitwilliger ausführen als Wache. Zusammengenommen legt dies nahe, dass jedenfalls unter „üblichen“ Normal-Bedingungen Hypnotisierte nicht gehorsamer sind als „Wache“, auch nicht im Alltag (unter Normal-Bedingungen).

    2. Wie Sie völlig zurecht sagen, finden diese Versuche aber nicht unter Extrembedingungen, wie man sie eher im realen Leben finden wird, statt. Man kann also auch nicht unmittelbar aus den labor-Experimenten schließen, was unter extremen Umständen wie massiverm Druck, starker Abhängigkeit, anhaltender Maanipulation, Misshandlung etc. passieren würde. Soweit gebe ich Ihnen erst mal recht. Allerdings würde ich sagen, dass dennoch plausible Schlussfolgerungen möglich sind – dazu gleich mehr.

    Alte vs. neue Expermiente: Aussagekraft

    Hierzu noch etwas, bevor ich auf Fälle aus dem „realen Leben“ zu sprechen komme.

    – Nach meinem Dafürhalten sind neuere Experimente von höherer externer Validität als ältere, selbst wenn weniger sozialer Druck herrscht, was ich soglich begründen will:

    – Wenn man beispielsweise (tief) Hypnotisierten und Wachen etwas ihnen eindeutig Unangenehmes befiehlt, und beide Gruppen gleichermaßen gehorchen, dann können wir zwar nicht unmittelbar folgern, dass dasselbe Ergebnis auch unter Extrem-Bedingungen gelten würde. Solch eine These ist aber zumindest ein plausibler Analogieschluss. Denn ansonsten müsste man annehmen, dass der Gehorsam bei Hypnotisierten und Wachen bis zu einem moderaten Druck gleich ist, aber ab einem hohen Druck bei Hypnotisierten viel ausgeprägter wird. Ohne besondere Indizien ist das aber nicht die naheliegendste Annahme. Somit liefern solche „neueren“ Experimente zumindest plausible Annahmen auch für den nicht untersuchten Fall. Ich möchte hier von einer Zusatzhypnothese Z1 sprechen: „Wenn Hypnotisierte und Probanden sich unter normalen Umständen vergleichbar gehorsam zeigen, dann werden sie das vermutlich auch unter extremen Umständen tun.“ Mithilfe der angenommenen Hypothese Z1 würde also die Generalisierung gelten, dass der Gehorsam Hypnotisierter generell nicht größer ist als der von „Wachen“.

    – Betrachten wir hingegen ein älteres Experiment, bei dem keine adäquate Kontrolle stattgefunden hat, aber die hypnotischen Probanden unter extremen Druck gesetzt wurden, und dann scheinbare Verbrechen begangen haben. Was können wir daraus ableiten?
    Wenn es eine plausible Annahme wäre, dass „Wache“ bei so einem Experiment nicht gehorchen würden, dann könnte man natürlich auch im Sinne einer plausiblen Annahme folgern, dass Hypnotisierte gehorsamer sind als Nicht-Hypnotisierte, und damit auch, dass Hypnose den gehorsam erhöht. Bezeichnen wir das als Zusatzhypnothese Z2: „Wenn nicht-hypnotisierte Probanden unter starkem Druck anti-soziale Handlungen befohlen werden, dann werden sie diese deutlich weniger ausführen als die Hypnotisierten das tun.“
    Die Frage ist dann: Ist Z2 plausibel? Ich meine: Nein. Früher hätte man das vielleicht gedacht, aber heute scheint mir eine These wie Z2 als eindeutig überholt.
    Wenn wir wissen, dass sowohl Wache wie Hypnotisierte bei vergleichbaren Tests gleichermaßen fast zu 100% gehorsam sind, selbst wenn deutlich weniger sozialer Druck herrscht: Wisso sollte man dann annehmen, dass Wache bei deutlich höherem Druck plötzlich deutlich weniger kooperativ werden?
    Eine solche Annahme wäre nur dann naheliegend, wenn jeweils die Einschätzung der Experimente durch die Probanden jeweils ganz anders aussähe, aber gibt es dafür überzeugende Argumente?
    Mit der Überwindung von Z2 „stirbt“ m.E. auch die Aussagekraft/Validität der älteren Experimente.

    – Die potentiell überlegene externe Validität älterer Experimente – diese mögen mehr den Bedingungen im „freien Feld“ gleichen – verliert dadurch letztlich ihre Bedeutung. Die externe Validität kommt nicht „zum Tragen“, wenn die Ergebnisse des Experiments uns keine neuen Erkenntnisse vermitteln.

    – Übrigens scheinen mir die neueren Experimente übrigens auch in folgender Hinsicht eine „Erweiterung“ der älteren darstellen: Die alten Versuche zeigten, dass Hypnotisierte unter hohem sozialen Druck gehorchen; die neueren zeigen, dass so ein hoher Druck gar nicht nötig ist, und dass Hypnotisierte auch ohne so hohen Druck gehorchen; allein schon dadurch (selbst ohne „wache“ Kontrollgruppen) erhalten wir eigentlich mehr Informationen durch die neuen als durch die alten Versuche; die neuen Studien sind somit selbst bei „Streichung“ der Kontrollgruppen womöglich aussagekräftiger als die alten. Wir wissen nämlich dadurch zumindest, dass hoher Druck keine notwendige Bedingung für den Erfolg ist, und die Anzahl potentiell relevanter Parameter, die für den Gehorsam verantwortlich sein könnten, wird reduziert.

    – So würde ich sagen, dass die neueren Experimente zwar methodischen Grenzen unterliegen und die Frage, ob Hypnotisierte gehorsamer sind als Wache, nur für den Spezialfall von „normalem sozialem Druck“ beantworten können, während sie für den allgemeinen Fall von beliebigem Druck nur eine plausible Annahme begründen können.

    – Die älteren Versuche scheinen mir hingegen überhaupt keine Aussagekraft für die relevante Fragestellung zu besitzen. Sie bestätigen nur, was wir ohehin schon wissen, nämlich, dass Hypnotisierte bei hohem Druck einen hohen Gehorsam zeigen; zu der interessanteren Frage, ob es relevante Unterschiede von Wachen und Hypnotisierten gibt (unter ansonsten gleichen Bedingungen), und ob die Hypnose als solche ein wichtiger Faktor für den Gehorsam ist, können uns die älteren Experimente aber – soweit ich das zu ersehen vermag – aufgrund ihres Designs gar nichts sagen. Und zwar besagn sie weder etwas für den Spezialfallfall von hohem sozialen Druck, noch für den allgemeinen Fall von beliebigem Druck; und eigentlich können sie uns noch nicht einmal indirekte Hinweise für eine Antwort geben.

    Fälle aus dem realen Leben

    – Nun gibt es natürlich Fälle aus dem realen Leben, bei denen im Zusammenhang mit Hypnose Menschen manipuliert wurden, und bei denen die „extremen“ Bedingungen viel stärker vorliegen als bei Laborversuchen. Auch da würde ich Ihnen völlig recht geben.

    – Allerdings stellt sich natürlich auch hier sofort die Frage, welchen Einfluss die Hypnose hat. Würde man allein daraus, dass Hypnose „im Spiel ist“, ableiten, dass Hypnose der relevante Faktor ist, so würde man ja einen „post hoc ergo propter hoc“-Fehlschluss „begehen“.

    – Eine wichtige Frage wäre also: Wie oft existieren Manipulation und Abhängigkeit im normalen Leben mit und ohne den Zusatz von Hypnose? Wenn nämlich Manipulation mit Hypnose häufig, ohne aber relativ selten wäre, dann wäre das natürlich ein gutes Indiz für die negative Macht der Hypnose.

    – Nun ist es ja aber leider unbestreitbar, dass die Welt voll ist von Manipulation, Folie à deux (auch im umgangssprachlichen Sinne), Heitarsschwindlern, Leuten, die sich von ihren Partnern oder anderen Personen schikanieren oder schwer misshandeln lassen usw.

    – Es gibt zudem nur ganz wenige bekannte Fälle aus dem realen Leben, bei denen Menschen im zusammenhang mit Hypnose manipuliert wurden; man kann die aussagekräftigen Fälle an einer oder zwei Händen abzählen.

    – Aber selbst wenn wir von einer deutlich höheren Dunkelzioffer ausgehen, wäre das Vorkommen immer noch sehr gering. Hier gilt m.E. im Grunde immer noch, was Orne 1962 gesagt hat: „The induction of hypnosis requires very little technical competence from a hypnotist working with highly susceptible subjects. Techniques of hypnotic induction are widely known and readily available in innumerable books. Furthermore, techniques of hypnosis are generally known by professional mind readers, mediums, seers, and other kinds of „psycho­quacks“ who are not, in general, noted for high ethical conduct. Therefore, it would seem reasonable to assume that if subjects can be induced to perform behavior which would benefit the hypnotist, a fair number of such cases would have come to the attention of law-enforcement agencies.“
    Das ist ja aber nun nicht der Fall.

    – Die relative Seltenheit solcher Fälle – im Angesicht der Häufigkeit von Manipulation und Abhängigkeit ohne Hypnose – spricht m.E. nicht dafür, dass wir allzu schnell die Hypnose als entscheidenden Faktor ansehen dürfen, wenn wir einen Fall haben, bei dem ein Mensch, der (auch) hypnotisiert wurde, manipuliert wurde.

    – Hinzu scheint zu kommen, dass in all den Fällen „aus dem realen Leben“ eine Erklärung von Abhängigkeit und Gehorsam auch ohne einen Rekurs auf Hypnose plausibel ist. So schreibt Barber nach einer „Review“ entsprechender Fälle: „Two facts stand out: a) prior to the supposed introduction of hypnosis a close relationship had existed between the subject and the hypnotist; b) the relationship extended over a lengthy period of time, and involved strong emotional ties. . . . If hypnosis played a role in these cases, this role may have consisted in providing the subject with a rationale for justifying his behavior to himself and others“ (Zitiert nach Wagstaff, siehe Literaturliste im Artikel). Hinzu treten in manchen Fällen weitere Probleme: Beispielsweise werden Zeugnisse von Opfern, die nach vielen Stunden hypnotischer (womöglich suggestiver) Befragung entstanden sind, eins zu eins und ohne Zweifel von den befragern als wahr angesehen.

    – Im Sinne von Ockham’s Razor – der Bevorzugung sparsamstern Erklärung – wäre die neheliegendste und einfachste Erklärung also vermutlich die, dass besondere Abhängigkeit und besonderer Gehorsam auch ohne den Einfluss von Hypnose befriedigend erklärt werden können.

    Kontrolle non-hypnotischer Faktoren

    – Sie haben natürlich völlig recht, dass das Duo „Forscher- Student“ nicht daselbe ist wie „Krimineller Hypnotiseur aus kriminellem Milieu und Mensch aus der Unterschicht als Hypnotisand“. Der Unterschied besteht hier ja aber in NON-hypnotischen, allgemeinen psycho-sozialen Variablen.

    – Dasselbe gilt für Experimente, bei denen den (hypnotisierten) Probanden massiv gedroht wird (um auf Ihren letzten Kommentar zu rekusrrieren).

    – Das heißt: Sie sprechen Faktoren an, und betonen deren Wichtigkeit, die durchaus den Gehorsam Hypnotisierter erhöhen mögen, die jedoch selbst nicht hypnotisch sind und vermutlich auch den Gehorsam Nocht- Hypnotisierter zu steigern vermöchten. Letztlich legt das doch nahe, was ich persönlich jedenfalls denke: Dass der Gehorsam eine Funktion zahlreicher situativer, sozialer, miliemäßiger, beziehungsmäßiger und anderer Variabler ist, nicht aber der Hypnose als solcher. „Hypnose“ erscheint als ein für die Erklärung unnötiger Faktor.

    – Was Sie vermutlich letztlich annehmen müssten, wäre dieses Modell: Unter Normalbedingungen sind Hypnotisierte und Wache gleich gehorsam, auch bei einem gewissen Druck. Erst bei relativ extremen Bedingungen, die allein schon ausreichend sind, um zu hoher Abhängigkeit und hohem Gehorsam zu führen, auch ohne Hypnose, wird Hypnose zum relevanten Faktor und steigert dann den Gehorsam deutlich.

    – Dies erscheint zumindest mir als nicht sehr plausibel. Die Alternative, dass nämlich non-hypnotische Faktoren wie Abhängigkeit, Druck usw. allein ausreichen, um den Gehorsam zu erklären, scheint mir die einfachere und naheliegendere Erklärung zu sein

    Theoretische Überlegungen

    – Die Frage ist, ob dissoziative Phänomene wie eine multiple Persönlichkeit oder suggerierte Amnesie tatsächlich (wesentlich) dabei helfen, das Verhalten eines Menschen zu kontrollieren, wie das in der älteren Literatur suggeriert wird.

    – Nach meinem Dafürhalten ist die plausibelste Erklärung für eine multiple Persönlichkeit resp. dissoziative Identität(sstörung) nicht die, dass hier tatsächlich mehrere reale Personen entstehen. Wesentlich naheliegender scheint mir die Erklärung zu sein, dass es sich letztlich immer noch um eine einzige Person ist, die allerdings dissoziative Verhaltensweisen an den Tag legt, wie beispielsweise die Produktion von Amnesie oder die Übernahme einer Rolle auf einer unterbewussten Ebene.

    – Aus dieser Perspektive, die m.W. auch die in der Psychologie und Psychiatrie herrschend ist, sollte die Produktion „multipler Persönlichkeiten“ daher nicht zu einem Verlust der Selbstkontrolle der entsprechenden Person führen, denn es ist ja letztlich doch immer sie selbst, die handelt, und keine andere Person. Und dass jemand eine bestimmte „Rolle“ übernimmt, bedeutet ja nicht, dass er jede kontrolle über sich verlöre. Zudem scheinen multiple Persönlichkeiten ja ein weitgehend iatrogenes Phänomen zu sein. Dass also das Erzeugen multipler Persönlichkeiten – mit oder ohne formelle Hypnose – dazu führt, dass man eine Person um ihren Willen bringen kann, wäre m.E. eine recht fragwürdige spekulative Annahme.

    – Natürlich können da die erstaunlichsten Phänomen hervorgerufen oder beobachtet werden, von sich bekämpfenden Persönlichkeiten und scheinbar völligem Kontrollverlust; jedoch dürfte es sich da doch eher um Artefakte impliziter Suggestion und Erwartung handeln als darum, dass da nun wirklich verschiedene Personen existieren und sich geneseitig bekämpfen; oder, wo so etwas völlig spontan auftritt, um eine unbewusste, pathologisch-hysterische „Inszenierung“.

    – Ebenfalls scheint zu gelten, dass Hypnotisierte, denen etwa eine Amnesie suggeriert wurde, durchaus die Kontrolle über ihr Gedächtnis behalten; zwar nicht unbedingt auf bewusster Ebene, wohl aber auf der „exekutiven Ebene“, also dort, wo abstraktes Denken, Kontrolle von Verhaltenmoralische Fähigkeiten usw. verankert sind.

    Online verweisen würde ich auf:
    1) Spanos, wobei man den im Detail kritisieren kann; so würde ich die Rolle der bewussten Kontrolle weniger betonen; aber das ist letztlich in diesem Zusammenhang zweitrangig, denn wesentlicher ist, dass offenbar eine Kontrolle auf exektiver Ebene stattfindet und das entsprechende Tun des Hypnotisierten als motiviertes Verhalten beschrieben werden kann:

    Klicke, um auf Spanos-ch4.pdf zuzugreifen

    2) Heap
    http://www.mheap.com/memories.html
    (Vielleicht darf ich auch auf meinen Artikel zur posthypnotischen Suggestion hinweisen, und auf den zur exekutiven Kontrolle und die dort jeweils verlinkten englischen Fach-Artikel.)

    – Aus diesen und bereits früher Gründen würde ich prinzipiell die These, dass man Hypnotisierte „dressieren“ kann, skeptisch betrachten. Der Kern der Persönlichkeit, der mit den höchsten Kontrollhierarchien einhergeht (exekutive Kontrolle in Hilgardscher Terminologie), ist für hypnotisches Reagieren wesentlich und kann nicht „ausgeschaltet“ werden. Viele Experimente, inkl. Gehirnforschung, weisen darauf hin, dass bei den meisten Suggestiv-Phänomenen sogar exekutive Kontrolle direkt notwendig ist. Ebefalls ist Motivation ein entscheidender (notwendiger) Faktor bei hypnotischem Verhalten.

    – Alles andere würde ein seltsames Bild von der Struktur der menschlichen Psyche voraussetzen: Demnach müsste es eine ganz besondere Art „Unterbewusstsein“ geben, nämlich eines, das sehr intelligent und feinfühlig ist, genau die jewiligen situativen Bedingungen („Demnd Characteristics“) registriert und auf sie reagiert, zu abstraktem und komplexem Denken fähig ist, aber mit der eigentlichen Persönlichkeit des Hypnotisierten nichts zu tun hat; zugleich müsste diese Quasi-Persönlichkeit Motivation besitzen, aber nur eine, die sich darin erschöpfen würde, bedingungslos dem Hypnotiseur zu gehorchen.

    – Naheliegender, einfacher und besser mit der kognitiven Psychologie vereinbar scheint mir hingegen die Vorstellung zu sein, dass der Hypnotisierte ein „normaler“ Mensch bleibt, der als die Person, die er ist, intelligent und motiviert handelt (anstatt dass ein persönlichkeitsfremdes Unterbewusstsein das tut), wobei manche Kognitionen von der bewussten Repräsentation ausgeschlossen/dissoziiert werden können.

    – Die Ergebnisse der Forschung bestätigen m.E. in diesem Sinne auch deutlich, dass die Dissoziation, die sich bei der Hypnose finden lässt, nicht bedeutet, dass Wahrnehmung, Informationen und Kontrolle von der eigentlichen Persönlichkeit, wie man sie insbesondere mit der „Exekutiven kontrole“ assoziiseren kann, abgespalten werden; sondern dass Dissoziation wie gesagt eben meint, dass einige Informationen von der bewussten Repräsentation ausgeschlossen sind.
    (Siehe etwa in den gerade verlinkten Texten die Experimente zur posthypnotischen Amnesie, oder verschiedene Versuche zum „Hidden Observer“, bei denen gezeigt wurde, dass der Proband Informationen im Sinne eines abstrakten Denkens bearbeiten und bewerten kann, auch wenn sie ihm nicht bewusst sind (zum Beispiel bei: Lynn , Kirsch & Hallquist (2012): „Social Cognitive Theories of Hypnosis“, Ch. 5; In: Nash, M. & Barnier, A. (Eds.) The Oxford Handbook of Hypnosis

    – Es gilt demnach insbesondere, was auch tatsächlich den Beobachtungen entspricht: Nämlich dass Hypnotisierte auch dissoziierte Informationen intelligent in ihr Handeln einbeziehen können.

    – Wenn Hypnotiseure einen anderen Eindruck haben, nämlich dass sich bei der Hypnose die Persönlichkeit auflöst, dass ein als ich-fern verstandenes Unterbewusstsein die Kontrolle übernimmt, dass sie Wirtspersönlichkeit durch andere „reale“ Quasi-Personen verdrängt wird usw., dann sind das m.E. experimentelle Artefakte, die dadurch zustande kommen, dass motivierte Hypnotisanden mit hohen dissoziativen Fähigkeiten eine Rolle (unbewusst) übernehmen, die ihnen zugewiesen wurde; jedoch gilt nicht, dass die entsprechenden Personen sich in intelligente „Zombies“ verwandeln, der mit der eigentlichen Persönlichkeit nichts mehr zu tun haben.

    – Einige dieser Probanden/Patienten mögen auch tatsächlich psychisch abhängig sein; fraglich ist jedoch, ob die dissoziativen Phänomene dafür entscheidend sind, oder nicht einfach eine Folge von impliziter und expliziter Suggestion darstellen, im Zusammenhang mit dissoziativen Fähigkeiten und bereits bestehener Kooperationsbereitschaft.

    Schlussfolgernde Zusammenfassend

    – Es ist zwar richtig, dass die externe Validität und damit die Aussagekraft der neueren Experimente begrenzt ist. Sie besagen nur, dass der Gehorsam Hypnotisierter und Wacher bei „normalem“ Druck gleich zu sein scheint. Sie beantworten jedoch nicht direkt die Frage, ob der Gehorsam von Hypnotisierten und Wachen auch unter Extrem-Bedingungen gleich ist.

    – Ältere Experimente jedoch sagen, soweit ich das sehe, nur aus, dass Hypnotisierte unter hohem Druck scheinbare Verbrechen begehen, eine Erkenntnis, die ja nicht überraschend ist und auch durch die neueren Experimente bestätigt und sogar „überboten“ wird (denn es wird gezeigt, dass solch ein extremer Druck gar nicht mal nötg ist). Für die Beantwortung der eigentliche Frage – ob Hypnose zu erhöhtem gehorsam führt – geben solche älteren Versuche, soweit ich das seehe, keine Hinweise.

    – Zwar gibt es im „realen Leben“ einige Fälle, bei denen eine Person unter Anwendung von Hypnose einen anderen Menschen intensiv manipuliert und abhängig macht; jedoch scheint die Anzahl solcher Fälle (selbst wenn wir eine deutlich höhere Dukelziffer postulieren) noch immer ziemlich marginal sein. Und vergleichbare Abhängigkeiten finden nicht selten auch ohne Hypnose. Zudem besteht typischerweise in Fällen der beschriebenen Art, wenn sie mit Hypnose einhergehen, ohnehin meist eine starke psychologische Bindung, die das entsprechende Verhalten auch ohne einen Rekurs auf die Hypnose zu erklären vermag.

    – Es kann aus diesen gründen m.E. nicht ohne den ernsten Fehler einen „post/cum hoc ergo propter“-Schlusses gesagt werden, dass die Fälle aus dem realen Leben beweisen, was die Laborforschung nicht zu bestätigen mag: Nämlich, dass Hypnose unter geeigneten psychosozialen und situativen Bedingungen zu signifikant erhöhtem Gehorsam führen würde.

    – Im Sinne der sparsamsten Erklärung scheint es hingegen naheliegender, dass besagte psychosozialen und situativen Faktoren selbst für Abhängigkeit und Gehorsam verantwortlich sind, nicht die Hypnose als solche.

    – Somit würde ich sagen, dass es eigentlich keine überzeugenden empirischen Argumente für die These vom besonderen Gehorsam Hypnotisierter gibt. Die Lebor-Untersuchungen sprechen dagegen, und die realen Fälle aus dem Leben, bei denen hypnose vorlag, sind kein Beweis und m.E. auch kein starkes Indiz.

    – Auch die manchmal angeführten theoretischen Argumente für die besondere Gefährlichkeit der Hypnose halte ich pesönlich nicht für überzeugend: Phänomene der Dissoziation wie Veränderungen der Wahrnehmung, multiple Persönlichkeiten, suggerierte Amnesien usw. scheinen nicht zu bedeuten, dass die eigentliche Persönlichkeit verlorengeht oder die Kontrolle verliert. Vielmehr sheint der Hypnotisierte die Kontrolle weiter auszuüben, im Sinne seiner Persönlichkeit, im Sinne des zentralen, exekutiven Kontrollsystes; und dass verschiedene Kognitionen nur aus der beussten Repräsentation ausgeblendet werden. Es ist daher auch nicht naheliegend, dass suggerierte dissoziative Phänomene geeignet sind, einen Menschen in besonderwre Weise abhängig zu machen.

    – Der Hypnotisierte wird m.E. auch durch suggerierte dissosziative Phänomene, Subpersönlichkeiten usw. keineswegs ein „Zombie“, sondern bleibt ein im Grunde relativ normaler „Mensch“, der aufgrund von Motivation, Gehorsam oder bereits bestehender pschischer Abhängigkeit seine dissoziativen Fähigkeiten nutzt, um die ihm angetragene Rolle für sich und andere glaubhaft realisieren zu können.

    – So bin ich nach wie vor skeptisch, was die these betrifft, dass Hypnose als solche die Möglichkeit von Verbrechen befördert; aber jedenfalls dürften wir uns einig sein, dass das Thema sehr interessant und zuglich methodisch sehr komplex ist.

  9. Ich fasse mich wieder kurz und hoffe, dass Sie meine Konzentration auf einen einzelnen Aspekt nicht als Missachtung Ihrer sonstigen Ausführungen missdeuten.

    Vorab möchte ich Ihnen versichern, dass ich die Möglichkeit krimineller Hypnose ebenfalls recht skeptisch beurteile – allerdings dennoch nicht daran zweifele, dass so etwas in sehr seltenen Fällen durchaus erfolgreich sein kann.

    Eine effektive mentale Versklavung einer größeren Zahl von Menschen halte ich zwar für möglich, allerdings spielt dabei die Hypnose zwar eine tragende, nicht jedoch die einzige Rolle. Die wirksamste Methode besteht aus einer Kombination von Hypnose, Elektrofolter, Elektrokrampfbehandlung, bestimmten Drogen, sensorische Deprivation und einer entwürdigenden, demütigenden Erziehung, die in frühester Kindheit einsetzt.

    Doch zurück zur kriminellen Hypnose im engeren Sinne. Aus der kleinen Zahl von Fallberichten lässt sich für das Vorgehen des kriminellen Hypnotiseurs in etwa folgendes Grundmuster ableiten:

    1. Der Hypnotiseur weckt das Interesse und erschleicht das Vertrauen seines Opfers, indem er sich auf dessen vorherrschende Neigungen und Bedürfnisse einstellt und diese befriedigt oder zu befriedigen verspricht.

    2. Er pflanzt ihm ein Referenzsystem ein, das seinen Ausführungen und Aktionen Sinn verleiht.

    3. Diese beiden Maßnahmen sind das „Vorspiel“ der durch Hypnose hervorgerufenen Persönlichkeitsspaltung. Die einfachste Form der Persönlichkeitsspaltung erzeugt nur zwei Zustände, nämlich einen Normalzustand (A) und einen hypnotisch kontrollierten Zustand (B).

    4. Das „Willensgebiet“ des Zustands B ist durch Zwangsvorstellungen gekennzeichnet, zu denen sich die Aufträge des Hypnotiseurs verdichtet haben.

    5. Die Energie, die diese Zwangsvorstellungen aufrechterhält und in Handlungen transformiert, ist eine hypnotisch erzeugte panische Angst.

    6. Der Hypnotiseur „versiegelt“ sein Opfer: „Niemand außer mir kann Sie hypnotisieren.“

    7. Der Hypnotiseur arbeitet mit verdeckter, also getarnter Hypnose.

    8. Der Hypnotiseur erzeugt eine Abhängigkeit durch hypnotisch induzierte Ekstasen.

    9. Er untergräbt die Bindungen seines Opfers an die materielle Welt.

    10. Er suggeriert ihm, sich sozial zu isolieren.

    11. Er etabliert eine mit übernatürlichen Fähigkeiten ausgestattete Kontrollinstanz.

    12. Er verbindet die künstlich erzeugten Pseudopersönlichkeiten mit Schlüsselreizen und pflanzt Trigger ein, die bestimmte Verhaltensweisen auslösen.

    13. Er „versiegelt“ sein Opfer („Niemand außer mir kann dich hypnotisieren“).

    14. Er verpflichtet es zur absoluten Verschwiegenheit (und verleiht dieser Verpflichtung durch Angstsuggestionen Nachdruck).

    15. Er suggeriert Zeitlosigkeit zur Identitätszerstörung.

    16. Er induziert Halluzinationen zur Erzeugung von Realitätsverlust.

    17. Die gewünschten Verhaltensmuster werden mental trainiert und real konditioniert.

    18. Dieser Prozess erstreckt sich über Monate und viele hundert Trainingsstunden.

    19. Der Motor, der schließlich zur Realisierung der posthypnotischen kriminellen Handlung führt, ist die hypno-konditionierte panische Angst vor Vernichtung.

    20. Der kriminelle Hypnotiseur pflanzt dem Opfer ein komplexes System einander stützender Kognitionen ein. Beispiel: „Wenn sie sich an mich erinnern, dann werden Sie ‚Fitzliputz‘ denken, um wenn sie ‚Fitzliputz‘ denken, dann werden sie den unwiederstehlichen Zwang verspüren, sich vor eine Straßenbahn zu werfen.“ Derartige mentale Konditionierungen werden wie ein unentwirrbares Knäuel miteinander verknotet.

    21. Der kriminelle Hypnotiseur sucht sich mit sicherem Blick ausgeprägt fügsame Menschen aus, die zudem eine ebenfalls überdurchschnittliche Willensschwäche kennzeichnet.

    Es ist aus meiner Sicht, wie bereits erwähnt, nicht auszuschließen, dass kriminelle Hypnotisierung bei Menschen, die man früher Hysteriker nannte und die sich durch eine hochgradige dissoziative Fügsamkeit sowie Willensschwäche auszeichnen, durchaus funktionieren könnte.

    Doch selbst bei gut geeigneten Opfern dürfte eine solche Hypnoprogrammierung nicht mit der Zuverlässigkeit funktionieren, die man für kriminelle Aktionen benötigt. Die Reliabilität lässt sich vermutlich aber durch die oben genannten zusätzlichen Methoden steigern.

    Doch dann haben wir es eigentlich nicht mehr mit krimineller Hypnose im engeren Sinn zu tun.

    Es würde mich sehr wundern, wenn Sie mir neuere oder auch ältere Experimente nennen könnten, in denen der Versuch, kriminelles Verhalten hypnotisch zu induzieren, nach dem oben beschrieben Grundmuster erfolgte.

    Wenn ich mich nicht sehr täusche, sind selbst die älteren und realitätsnäheren Experimente von Leuten verwirklicht worden, die von krimineller Hypnose keine Ahnung hatten und deren Methoden nicht kannten.

    Doch selbst wenn sie diese gekannt hätten, so hätten sie damit sogar in der nicht gerade zimperlichen Psychiatrie des 19. und frühen 20. Jahrhunderts Anstoß erregt.

    Seit einigen Jahrzehnten ist Derartiges selbst in abgemilderten Formen grundsätzlich nicht mehr möglich.

    Dass einzige, was man mit Sicherheit sagen kann, ist -:
    dass es bisher Psychologie- und Psychiatrie-Professoren im legalen Rahmen und dementsprechend mit unzulänglichen Mitteln noch nicht gelungen ist, die Wahrscheinlichkeit kriminellen oder antisozialen Verhaltens durch Hypnotisierung zu steigern.

    Daraus sollte man allerdings nicht schließen, dass dies generell unmöglich sei. Ein solcher Schluss wäre angesichts der vorhandenen Daten und der ihnen zugrunde liegenden Versuchspläne logisch nicht gerechtfertigt.

  10. Herzlichen Dank wieder für Ihre Kommentare und reflektieren Ausführungen! Selbstverständlich habe ich kein Problem, wenn Sie sich in der Antwort auf besonders wichtige Aspekte konzentrieren.

    Die von Ihnen beschriebene Vorgehensweise ist natürlich technisch raffiniert und in hohem Maße elaboriert. Ich möchte nun auf die empirische und dann auf die theoretische Situation, wie sie sich mir darstellt, eingehen.

    Der empirische Zugang: 1. Ein (nicht-existentes) Experiment

    Bei dem von Ihnen skizzierten Vorgehen spielt eine große Anzahl von Variablen eine Rolle, und zwar verschiedene nicht-hypnotische wie auch hypnotische Faktoren. Zu den non-hypnotischen gehören (ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit):

    Psychische Schwäche des Opfers, seine Persönlichkeitsstruktur, schwere traumatische Vorbelastung, Befridigung seiner Bedürfnisse, intensive lange soziale Beziehung, die auf Dominanz und Verhaltenskontrolle ausgerichtet ist, Konditionierung im allgemeinen Sinne, Erzeugen von Abhängigkeit, soziale Isolation des Opfers, Persönlichkeit des Täters, seine Willenskraft, sein Einfühlungsvermögen, seine Dominanz, und all jene Faktoren, wie sie auch unabhängig von Hypnose bei massiver Manipulation (etwa bei Sekten) eine Rolle spielen.

    Verschiedene hypnotische Faktoren haben Sie ja bereits angesprochen, etwa Einfluss poythpnotischer Zwänge, Einfluss hypnotisch induzierter Vorstellungen, Amnesie, illusionären Verfremdungen der Realität, hypnotisch induzierten Angstgefühle, multiple Identitäten usw.

    Um zu einer Beantwortung der Frage zu kommen, ob mit Hypnose hier mehr Schaden möglich ist als ohne, ist es m.E. nicht so wichtig, die einzelnen hypnotischen Variablen zu isolieren und zu kontrollieren, denn über welche Mechanismen die Hypnose genau wirkt, ist ja zweitrangig, soweit sie nur wirkt.

    Wichtig aber wäre es durchaus, die non-hypnotischen Variablen zu kontrollieren. Denn diese allein sind ja bereits bei einigen Menschen ausreichend, um ein sehr hohes Maß psychischer Abhängigkeit zu erzeugen, insbesondere vielleicht auch bei Menschen, die bereits labil und traumatisiert sind.

    Was man im Grunde bräuchte, und was Sie anklingen lassen, wären Experimente, die nicht nur ethisch undurchführbar sind, sondern auch methodisch sehr komplex: Man müsste geeignete Menschen in randmomisierter Weise intensiver Manipulation aussetzen, die eine Gruppe mit Hypnose, die andere ohne Hypnose, und dabei all die vielen Bedingungen so gut es geht konstant halten:

    Gleichermaßen vulnerable Menschen müssten durch gleichermaßen überzeugte, dominante, geschickte und von ihrer Sache überzeugte Experimentatoren, über denselben Zeitraum massiv beeinflusst werden, wobei das das Erzeugen einer möglchst großen psychische Abhängigkeit intendiert sein müsste, und das Schaffen von Unterordnung und Gehorsam.

    Bei der hypnotischen Gruppe kämen (u.a.) Hypnose und verschiedene hypnotische Strategien zum Einsatz, im anderen Fall nicht; dafür würde man eventuell eine möglichst gute Substitution durch nicht-hypnotische Manipulations-Formen suchen müssen.

    Am Ende wären dann bei beiden Gruppen „extreme“ Gehorsams-Tests durchzuführen, und entsprechende postexperimentelle Interviews müssten durchgeführt werden. Dass das alles ethisch nicht vertretbar ist, ist klar.

    Ich gebe Ihnen insoweit recht, dass die These von der besonderen Macht der Hypnose unter Extrembedingungen ohne ein entsprechendes sorgfältiges Experiment nicht direkt prüfbar ist, und somit auch nicht als empirisch widerlegt angesehen werden kann. Allerdings würde ich sagen, dass, soweit empirische Gesichtspunkte berührt sind, die „Beweislast“ auf Seiten derjenigen liegt, die eine besondere Gefährlichkeitder Hypnose postulieren. Allerdings können natürlich auch theoretische Argumente überzeugen; dazu jedoch später mehr.

    Der empirischen Zugang: 2. Das „reale Leben“

    Davor aber nochmals ein Blick auf das „raele Leben“:

    Um ein noch (raltiv) harmloses Beispiel anzuführen, das mir aber gerade durch den Kopf geht: Vor einiger Zeit hatte ich eine Reportage gesehen, bei der ein Mann vorgestellt wurde, der sich „freiwillig“ von seiner Frau über einen längeren Zeitraum dermaßen hatte schlagen und misshandeln lassen, dass er ob der ihm beigebrachten Verletzungen sogar erblindete. (Häusliche Gewalt mit dem Mann als Opfer gibt es ja auch.) Wäre hier Hypnose im Spiel gewesen, was nach aller Wachrscheinlichkeit nicht der Fall war, so würde man diesen Umstand vermutlich sofort wenigstens als gutes Indiz für die Gefährlichkeit der Hypnose werten (intuitiv plausibel, aber methodisch falsch).

    Die Problematik ist hier letztlich wieder die Herausarbeitung der relevanten Faktoren: Auch wenn es einige Fälle gibt, bei denen Menschen durch Verfahren mit Hypnose, wie Sie sie beschreiben, in psychologische Abhängigkeit gebracht wurden, dann wissen wir letztlich nicht, welche Rolle Hypnose dabei gespielt hat. Wie schon gesagt: Gäbe es „ohne Hypnose“ so gut wie keine Fälle von starker Abhängigkeit und Manipulation, mit der Hypnose aber viele – was jedoch beides nicht der Fall ist -, dann könnte man mit ziemlicher Sicherheit schließen, dass Hypnose ein wesentlicher Faktor für extreme Manipulation ist.

    Es dürfte zudem wohl kaum irgendeine Form der psychischen Abhängigkeit und Willfährigkeit geben, die zu ausgeprägt wäre, als dass es nicht erschreckend viele Beispiele für sie gäbe, und zwar auch ganz ohne Hypnose. Dies bedeutet methodisch aber auch, dass Fälle, bei denen Hypnose zur Manipulation eingesetzt wurde, womöglich auch ohne Hypnose erklärbar sind.

    Und wenn wir uns manche Sekten ansehen, mit kollektiven Selbstmorden und dem bedingungslosen Festhalten am Guru auch noch an Jahren, dann liegt der Schluss nahe, dass massiver Gehorsam und extreme Manipulation unter geeigneten Bedingungen viel leichter zu erreichen sind, als man es sich wünschen kann.

    Was hieraus m.E. folgt ist dies: Rein empirisch gesehen können Abhängigkeit und Manipulation allein durch „normale“ psychosoziale Faktoren ausreichend erklärt werden, selbst wenn Hypnose involviert ist; diese Erklärung ist sparsamer, als wenn zusätzlich auf die Hypnose als erklärender Faktor rekurriert wird. Hypnose wäre demnach vielleicht eher aufgrund der mit ihr verbundenen „normalen“ psychosozialen Variablen von Bedeutung, aber nicht als solche notwendig.

    Wir hätten damit folgende Situation:

    1. Valide Experimente zur Frage, ob geschickte hypnotische Manipulation unter „extremen“ Bedingungen zu einem deutlich höheren Gehorsam führt als „normale“ massive Manipulation bei „Wachen“, falls ansonsten vergleichbare Bedingungen vorliegen, existieren nicht oder sind jedenfalls nicht bekannt.
    2. Die Fälle aus dem realen Leben können sparsamer ohne die Annahme einer besonderen Gefährlichkeit der Hypnose erklärt werden.

    Rein empirisch gesehen würde daher im Snne von „Ockham’s Razor“ gelten, dass erst einmal die These vorzuziehen wäre, dass Hypnose im Hinblick auf potentiellen Missbrauch keine besondere zusätzliche Gefahr darstellt, sondern dass Manipulation hinreichend durch non- hypnotische Varaible erklärbar ist.

    Empirisch gesehen scheinen mir also keine überzeugenden Argumente für die These von der besonderen Gefährlichkeit der Hypnose zu bestehen. Allerdings ist damit die Frage noch nicht beantwortet, denn natürlich können auch theoretische Argumente eine sehr wichtige und überzeugende Rolle spielen.

    Theoretischer Zugang

    Die Argumentation, die Sie erwähnen, wirkt recht überzeugend, und bis vor einiger Zeit hätte ich sie auch akzeptiert. Sie beschreiben elaborierte und reflektierte Techniken, die gezielt diverse hypnotische Phänomene für das Programm des Hypnotiseurs nutzen.

    All das beruht nach meinem Eindruck auf der Ananhme eines „starken“ Konzepts der Dissoziation und der Automatie. Dazu würde etwa gehören, dass der Hypnotisierte „automatisch“ auf Trigger reagiert; dass auch posthypnotische Suggesttionen unwillkürlich-automatisch ausgeführt werden; dass (post9hypnotische Suggestionen gewissermaßen als „Implantate“ oder „Viren“ angesehen werden können, die beim „Subjekt“ verankert werden können und dann eine weitgehend autonome Wirksamkeit entfalten; dass Erinnerungen, für die Amnesie besteht, nicht mehr auf der Ebene exekutiver Kontrolle zur Verfügung stehen; dass posthypnotische Siegel nicht nur innerhalb eines Exeriments, sondern überhaupt „funktionieren“; dass hypnotische Illusionen, Halluzinationen und andere Täuschungen zu einem psychoseähnlichen Realitätsverlust führen, so dass die Fähigkeit zu situatonsadäquatem Verhalten aufgehoben oder extrem eingeschränkt wird; dass multiple Persönlichkeiten zur Desintegration und somit zum Verlust praktisch jeder Kontrolle führen usw. Oder allgemeiner: Dass Hypnose mit automatischem Verhalten einhergeht, das nicht von der normalen Persönlichkeit abhängig ist, und dass eine Form der Dissoziation herrscht, die eine recht ausgeprägte Desintegration von Persönlichkeit und relevanten Informationen bzw. relevanter Kontrolle beinhaltet.

    Diese Vorstellung ist auf den ersten Blick sehr plausibel und wird nicht nur durch das subjektive Erleben des „Subjekts“, sondern auch (scheinbar) durch den Beobachter bestätigt. Dennoch meine ich, dass wir heute mit gutem Grund sagen können, dass das alte Bild nicht akkurat ist. Ich werde versuchen, meine Meinung ungefähr zu begründen, wobei hier natürlich nicht der Platz für eine umfassende Erörterung ist. An einigen Stellen habe ich das Thema in meinem anderen Blog hypnoseinfos.wordpress.com erwähnt, wobei sich an einigen Stellen, wie dem Artikel zu Non-State-Theorien, auch Quellen finden. Zudem gebe ich ganz unten eine kleine Literaturliste an, soweit ich nun auf Literatur verweise.

    Kurz vorab: Hypnotische Rolle

    Selbstredend bezweifle ich nicht, dass es erstaunliche dissoziative Phänomene bei der Hypnose gibt, jedoch meine ich, dass sie „persönlichkeitsnah“ ablaufen und unter der Kontrolle des „Subjekts“ stehen, im Sinne seiner Persönlichkeit, auch wenn das nicht mit Bewusstsein einhergehen muss. Wenn der Eindruck anders ist, dann liegt das m.E. wesentlich an der hypnotischen Rolle. Wir wissen, dass Hypnotisierte sich je nach impliziten Suggestionen teilweise völlig anders verhalten; und so muss man, wenn man ein bestimmtes Verhalten erklären will, immer die Möglichkeit im Auge behalten, dass das Verhalten aus der hypnotischen Rolle resultiert.

    Trigger und posthypnotische Suggestion

    Es wurde lange gedacht, dass die Reaktion auf posthypnotische Auslöser automatisch in dem Sinne erfolgt, dass sie keine kognitive Leistung voraussetzt, und keine Aufmerksamkeit, keine Kontrolle und keine Absicht involviert. Inzwischen konnte m.E. deutlich gezeigt werden, dass dies nicht richtig ist. Eine Reaktion auf den Trigger setzt Bereitschaft, Aufmerksamkeit und Motivation voraus und erfolgt nur dann, wenn der Proband erkennt, dass der kritische Stimulus die Reaktion auch auslösen soll. Er muss erkennen, dass eine Reaktion im Sinne der hypnotischen Rolle gefordert ist. Deswegen wird er auch außerhalb des hypnotischen Settings nicht oder nur unter besonderen Umständen reagieren.
    Aus den entsprechenden Forschungen (s.u.) folgt zugleich etwas Wichtiges: (Post)hypnotische Suggestionen stelllen keine „Fremdkörper“ oder „Implantate“ in der Psyche des „Subjekts“ dar, keine „Viren“, die gewissermaßen eigenständig und außerhalb des Zugriffs der Person und außerhalb ihrer Kontrolle wirken; die also gewissermaßen ein „Leben für sich“ führen, vielleicht sogar im Sinne eines autonom „agierenden“ Clusters von „Programmen“, und die dem „Subjekt“ eines „auswischen“ können. Vielmehr sind (post)hypnotische Suggestionen Ideen, die, wie alle anderen Ideen auch, Aufmerksamkeit, Willen, Bereitschaft usw. zu ihrer Realisierung benötigen, auch wenn die entsprechenden Prozesse nicht bewusst ablaufen müssen. Nicht die Suggestion verwirklicht sich (automatisch), sondern das „Subjekt“ verwirklicht sie, entsprechend seiner Erkenntnis, Bereitschaft und Intention. Zu den relevanten Forschungen siehe etwa Tobis & Kihlstrom (2010), Spanos, Menary, Brett, Cross & Ahmed (1987), Bernier & McConkey (1998) Fisher (1954).

    Posthypnotische Amnesie

    Die amnestischen Informationen beeinflussen nicht nur das Verhalten der „Subjekte“, sondern indirekte Tests verraten auch ihre fortbestehende Präsenz (pro- und retroaktive Inhibition, elektrischer Hautwiderstand usw.). Des Weiteren können Hypnotisierte amnestische Informationen auch auf der Ebene der exekutiven Kontrolle verarbeiten. Auch können sie die posthypnotische Amnesie durchbrechen, wenn solch ein Druchbrechen als Teil der hypnotischen Rolle definiert wird, oder auch alternativ, wenn ein hoher sozialer Druck besteht. (Vgl. z.B. Wagstaff (2004)). Dies spricht dagegen, dass die relevanten Informationen völlig „weg“ sind, und spricht dafür, dass der Proband sie zumindest unterbewusst, aber auf „hoher Ebene“ kontrolliert.

    Hypnotische Siegel

    (Hypnotisches Siegel verstehe ich hier als eine posthypnotische Suggestion, die verhindern soll, dass Folgehypnosen durch Dritte stattfinden können; also als posthypnotische Blockade/Hemmung.) Aufgrund dessen, was für die posthypnotische Suggestion und Amnesie gilt, ist zu vermuten, dass das Siegel ein Artefakt der Situation und Erwartung ist und außerhalb des experimentellen Kontextes nur dort hält, wo sich der Proband – aus welchen Gründen auch immer – verpflichtet fühlt, ihm zu entsprechen. Entsprechend ist die allgemeine Erfahrung auch, dass hypnotische Siegel, die verhindern sollen, dass ein anderer Hypnotiseur eine Hypnose durchführt, außerhalb des experimmentellen kontextes ziemlich unwirksam sind. Eine systematische Untersuchung kenne ich zwar nicht, aber das ist das, was von allen bestätigt wird, soweit meine Kenntnis reicht (vgl. etwa Orne (1961)). Natürlich mögen „Siegel“ auch in einigen Fällen halten, aber die Vermutung wäre dann, dass dies aufgrund einer besonderen Verpflichtung gegenüber dem hypnotiseur der Fall ist.

    Hypnotische Täuschungen

    Auch bei hypnotischen Täuschungen scheint stets ein ganz wesentlicher Realitätsbezug erhalten zu bleiben, der ebenfalls die exkekutive Kontrolle umfasst. Da ich das teilweise schon im Artikel erwähnt hatte, möchte ich das nur andeuten. Eine Folge davon ist, dass Hypnotisierte gewöhnlichs elbst auf die bizarrsten Suggestionen sehr gelassen reagieren. Man kann – nach meiner persönlichen Erfahrung – beispielsweise erfolgreich suggerieren, dass ein paar Meter weiter ein Elefant steht, ohne dass das“Subjekt“ deswegen allzu überrascht wäre oder gar die Polizei rufen wollte. Natürlich kann das auch anders aussehen, insbesondere bei der Showhypnose, aber dann dürfte das an den „Demnd Characteristics“ der Situation liegen. Es wird ja dort erwartet, dass der Hypnotisierte „dramatisch“ reagiert. Und doch ist die Reaktion auch dort wohl kaum im eigentlichen Sinne „realistisch“, sondern eben der Bühnen-Situation angepasst. Insofern scheinen auch Parallelen zu dissoziativen Störungen zu bestehen, eher als zu psychotischen (siehe Oakley (1999)). Persönlich habe ich ziemlich viele Experimente im Sinne von Trancelogik und „hidden observer“ gemacht und würde daher klar bezeugen wollen, dass auch das unbewusst gelenkte, undbwusst gesteuerte Verhalten nicht nur intelligent ist, sondern ganz typisch für die entsprechende Person, also sehr idiosynkratisch. Und wie im Artikel erwähnt, scheint es recht egal zu sein, ob Illusionen nun eingesetzt werden, um ein harmloses Verhalten als höchst kriminell oder ein (vermeintlich) kriminelles Verhalten als harmlos erscheinen zu lassen. Dies spricht nicht für eine besondere kausale Bedeutung von Illusionen. Orne bemerkt dazu, dass einige Hypnotiseure Verbrechen mit und ohne Illusionen „induzieren“ konnten, andere auch nicht mit Illusionen. Er folgert daraus, dass nicht Illusionen als solche entscheidend sind, sondern die „Demand Characteristics“. (Dasselbe dürfte m.E. nicht nur für Illusionen, sondern auch für ähnliche „Tricks“ gelten Amnesie, diverse Persönlichkeiten usw.)

    Multiple Persönlichkeit und verwndte Phänomene

    Estabrooks meinte noch, wenn ich mich richtig erinnere, dass eine erfolgreiche Therapie der Multiplen Persönlichkeitsstörung im Grundde ein Mord sei. Aber ich denke, das ist überholt. Ähnliche Phänomene, bei denen temporär eine „andere“ Persönlichkeit entsteht, finden wir ja übrigens auch allgemein in der Hypnose, etwa bei „Persönlichkeitsänderungen“. Solche Phänomene werden bei den RSPSHS-Skalen von Weitzenhoffer und Hilgard induziert, oder es gab beispielsweise Untersuchungen zur hypnotischen Geschlechtsumwandlung („sex change“) durch Forscher wie Barnier, McConkey und andere. Bühnenhypnotiseure machen von dem Phänomen gerne Gebrauch, und aus Neugier habe ich persönlich mitunter suggeriert, dass ein Proband ein bekannter Sportler oder auch ein Alien sei. Wie im Prinzip bei alllen hypnotischen Phänomenen funktioniert das auch als Wachsuggestion (wovon ich mich in diesem fall selbst pberzeugen konnte). Wenn es im Grunde aber reicht, dass ein entsprechend gut suggestibler Mensch sich kurz konzentriert, um eine veränderte Persönlichkeit zu entwickeln, dann würde ich meinen, dass hier zwar ein erstaunliches und sehr interessantes Phänomen stattfindet, aber nichts, was die Grundstruktur eines Menschen radikal verändern würde.

    Das eigentlich Problematische bei der Multiplen Persönlichkeitsstörung ist m.E. nicht eine „fremde Persönlichkeit“. Die kann bei einigen leicht sogar durch Wachsuggestion erzeugt werden und ist harmlos -, problematisch die pathologische Dynamik dahinter, die zu unkontrolliertem Erleben und Verhalten führt. Dennoch scheint selbst in solchen pathologischen Fällen immer noch ein hohes Maß an integration zu bestehen, denn sonst könnt ein Multipler ja kein einigermaßen normales Leben führen. Und es scheint beispielsweise bei dieser Störung im Gegensatz zur Schizophrenie für Patient wie Therapeut die Möglichkeit zu bestehen, mit „Stimmen“ des Multiplen sinnvoll zu kommunizieren.
    http://www.regenbogenwald.de/themen/mps/3.htm

    Die Ananahme, dass verschiedene Subpersönlichkeiten wirklich den eigentlichen Kern der Persönlichkeit „sprengen“ und somit eine beliebige Kontrolle durch einen Hypnotiseur ermöglichen, erscheint mir vor diesem Hintergrund als doch sehr fragwürdig.

    „Cluster“ von Suggestionen

    Wenn das Ausgeführte richtig ist – und dafür scheint mir sehr viel zu sprechen -, dann bedeutet das insbesondere auch, dass keine „Cluster“ von Suggestionen bei einem Hypnotisierten „installiert“ werden können, keine „Programme“ die dann dort als eine eigene, quasi-fremde „Wirkmacht“ fortbestehen oder gar intelligent und eigenständig agieren könnten (etwa eine Kombination von Amnesieen, Triggern, hypnotischen „Siegeln“, multiplen Persönlichkeiten usw., die alle auf einander abgestimmt sind).

    Es würde vielmehr gelten, dass ein Hypnotisierter zwar ein Verhalten zeigen kann, das den Eindruck vermittelt, dass er von persönlichkeitsfremden Programmen geradezu „kontrolliert“ wird; aber das wäre dann darauf zurückzuführen, dass er den impliziten und expliziten Suggestionen gerecht werden will, und sich deswegen willentlich, mit seiner Intelligenz, seiner Persönlichkeit, seiner exekutiven Kontrolle – wenn auch nicht bewusst – entsprechend verhält. Die Situation wäre damit so ähnlich wie bei Mesmer, Charcot unnd anderen: Die „Subjekte“ zeigen ein erstaunliches Verhalten, ohne bewusst zu „schauspielern“, aber die Erklärung liegt letztlich in den impliziten Rollenanforderungen, verbunden mit der Kooperation der Hypnotisanden, und nicht in der Natur der Sache/Hypnose.

    Theoretische Reflexion

    Dies kann jetzt natürlich nur ein Überblick zu dem sein, was ich hier für relevant erachte.

    Es sind grundsätzlich zwei Betrachtungsweisen möglich:

    1) Das scheinbar rein automatische Verhalten und der scheinbare Kontrollverlust Hypnotisierter bedeuten, dass die entsprechende Person tatsächlich die Kontrolle verliert und automatisch auf Suggestionen reagiert. In diesem Fall ist anzunehmen, dass Hypnose, wenn sie technisch geschickt angewndet wird, tatsächlich mit einem ganz besonderen Missbrauchspotential einhergeht.

    2) Was als automatisches Verhalten oder als völliger Kontrollverlust erscheinen mag, ist ein komplexes und motiviertes Rollenverhalten, bei dem der Proband von seinen dissoziativen Fähigkeiten Gebrauch macht, jedoch ohne dass er als Person letztlich die Kontrolle verlieren würde. In diesem Fall ist zu erwarten, dass Hypnose und entsprechende Techniken nicht zu prinzipiell erhöhten Möglichkeiten führt, den Gehorsam einer Person zu erzwingen.

    Die These 2) erscheint mir aufgrund der heutigen Forschung als wesentlich überzeugender.

    a) Das schließt ünrigens selbstverständlich NICHT aus, dass ein Mensch in sehr hohem Maße psychisch abhängig sein kann und sein hypnotisches Verhalten in diesem Sinne „unfreiwillig“ ist. Es wäre jedoch nicht prinzipiell „unfreiwilliger“ als anderes Verhaltensäußerungen dieser Person, also beispielsweise nicht „automatisch“ im technischen Sinne der kognitiven Psychologie. Auch wäre das Befolgen krimineller expliziter und impliziter hypnotischer SUggestionen eine Folge psychischer Abhängigkeit, nicht die Ursache.

    b) Auch schließt das Gesagte nicht aus, dass ein hypnotisches Training buw. eine „Dresur“ zu psychischer Abhängigkeit führt – nur wären nicht speziell hypnotische Inhalte für die resultierende Abhängigkeit verantwortlich, sondern allgemeine psychosoziale Faktoren, wie sie bei dem hypnotischen Training, aber nicht nur bei diesem, virulent werden. (Diese beiden Punkte a) und b) sind methodisch sehr wichtig.)

    Eine Möglichkeit bleibt natürlich prinzipiell bestehen: Hypnotisches Verhalten (insbesondere Illusionen, Amnesie, „Siegel“, posthypnotische Auslöser, Persönlichkeitsänderungen usw.) sind zwar im „Normalfall“ kein automatisches sondern ein motiviertes, zielgerichtetes, persönlichkeitskonformes und kontrolliertes Verhalten (wenn auch unterbewusst gesteuert und subjektiv als „unwillkürlich“ erlebt). Unter extremen Bedingungen wie Misshandlung, Isolaton, massivem Druck usw., werden solche Verhaltensweisen jedoch tatsächlich „unwillkürlich“ und „automatisch“ im technischen Sinne; Persönlichkeit und Motivation des Hypnotisierten wären dann außen vor.
    Dieser Einwand ist nicht unmittelbar widerlegbar.

    Darauf würde ich jedoch antworten: Das ist theoretisch möglich, aber was spricht dafür? Überzeugende emprisch oder theoretisch begründete Argumente sind für mich nicht ersichtlich. Zur Erklärung der uns bekannten Tatsachen reicht das von mir gerade eben skizzierte Modell „normaler“ psychischer Abängigkeit m.E. völlig zur Erklärung aus.

    Somit würde ich zusammenfassend sagen: Weder aus empirischer noch theoretischer Sicht existieren nach meinem Eindruck gute Argumente für die These von der besonderen Manipulations-Macht der Hypnose unter Extrem-Bedingungen. Empirisch gesehen brauchen wir die These nicht, und theoetisch erscheint sie nicht als begründet. Es ist zwar kaum möglich, die These klar direkt zu testen, aber das, was wir an empirischer Evidenz und theoretischen Erkenntnissen haben, spricht aus meiner Sicht nicht für die Ananhme ihrer Rchtigkeit.

    Verwendete Literatur

    Barnier, A & McConkey K: „Posthypnotic responding: knowing when to stop helps to keep it going“ Int J Clin Exp Hypn. 1998 Apr;46(2):204-19.

    Fisher, S „The role of expectancy in the performance of posthypnotic behavior”, Journal of Abnormal & Social Psychology 1954

    Oakley, D „Hypnosis and Conversion Hysteria: A Unifying Model”, Cognitive Neuropsychiatry, 1999, vol. 4, iss. (3), p. 243-265

    Orne, M „The potential uses of hypnosis in interrogation“ In A. D. Biderman & H. Zimmer (Eds.), The manipulation of human behavior. New York: Wiley, 1961. Pp.169-215.
    http://www.psych.upenn.edu/history/orne/orne1961inbidermanzimmerbc.html

    Wagstaff, G „High Hypnotizability in a sociocognitive framework“ In Heap, Brown & Oakly (Eds.), The Highly Hypnotizable Person. London / New York: Routeledge, 2004.

    Spanos, N, Menary, E, Brett, P, Cross, W, & Ahmed Q. „Failure of posthypnotic responding to occur outside the experimental setting.“ Journal of Abnormal Psychology, 1987, vol. 96, 52-57

    Tobis, I.P. Kihlstrom, J.F. “Allocation of attentional resources in posthypnotic suggestion.” The Intenational kournal of Clinical and Experimental Hypnosis 2010 Oct;58(4):367-82.

    Klicke, um auf Tobis-Allocation_attentional_resources_posthypnotic_suggestion.pdf zuzugreifen

  11. Auch diesmal werde ich mir, nun mit Ihrem Einverständnis, nur einen Punkt aus Ihrer Replik herausgreifen, wenngleich sie alle es verdienten, beantwortet zu werden.

    Auch aus meiner Sicht ist das Verhalten in Hypnose sowie das prä-hypnotische Verhalten während der Induktion und das posthypnotische Verhalten ein Rollenspiel. Der Hypnotisierte verhält sich so, als ob er „hypnotisiert“ worden wäre. Wenn er ein guter Hypnotisand ist, dann gleicht er einem Schauspiel, der vollständig von seiner Rolle absorbiert ist und dem nicht mehr bewusst ist, dass er eine Rolle spielt. Subjektiv spielt er dann nicht mehr den Faust, er ist der Faust, bis der Vorhang fällt.

    Das hypnotische Verhalten ist demgemäß auch kein automatisches, in dem Sinne, dass an ihm keine exekutive Kontrolle beteiligt wäre – dies anzunehmen wäre ja auch angesichts der Komplexität mancher posthypnotischer Befehle völlig wiedersinnig.

    Für den kriminellen Hypnotiseur besteht die Hauptaufgabe darin, dafür zu sorgen, dass sich die Tatsache des Rollenspiels zuverlässig dem Bewusstsein des Hypnotisanden entzieht – sobald dieser auf Befehl aus der Hypnose „aufgewacht“ ist und nun darauf wartet, dass sich der Vorhang hebt, damit der seinen posthypnotischen Befehl befolgen, also, um im Bilde zu bleiben, den Faust geben kann.

    Dies bedeutet, dass der Hypnotisand die *Absicht* haben muss, dem Hypnotiseur zu gehorchen – zugleich aber muss er auch die *Absicht* haben, genau dies sowie die Tatsache der Hypnose insgesamt zu vergessen. Ohne die Absicht, sich rollenkonform zu verhalten, funktioniert keine Hypnose. Geheimdienstliche oder militärische Bewusstseinskontrolleure erzwingen dieses komplexe System von Absichten vor allem durch Folter. Doch dies ist nicht unser Thema. Hier geht es ja um die Frage, ob man kriminelles Verhalten allein durch Hypnose induzieren könne.

    Ich stimme mit Ihnen überein, dass dies aus den diskutierten Gründen mit letzter Sicherheit im legalen Rahmen experimentell nicht entschieden werden kann. Ihr Einwand aber – ich hoffe, Sie hier richtig verstanden zu haben – gegen die Möglichkeit krimineller Hypnose spräche die Tatsache, dass der hypnotische Zwang kein Automatismus sei, ist aus meiner Sicht nicht zutreffend. Im Gegenteil: Nur wenn der hypnotische Zwang kein Automatismus ist, kommt Hypnotisierung als Mittel zur Induktion kriminellen Verhaltens überhaupt in Frage. Ein Bank beispielsweise kann man nicht ausrauben auf Basis automatischen Verhaltens, so wie man eine Mücke von der Stirn wischt. [Anmerkung von escatan:Das Wort „nicht“ habe ich imletzten Satz im Sinne des Autors ergänzt, denn so war es gemeint: Siehe nachfolgende Beiträge]

    Um zu klären, wie die Ausführung posthypnotischer Befehle tatsächlich funktioniert, muss ich mit einem Beispiel etwas weiter ausholen:

    Ein Hypnotisand wird in Hypnose versetzt und ihm wird eine hypnotische Blindheit für einen Stuhl suggeriert. Nun wird der Hypnotisierte aufgefordert, sämtliche Gegenstände in einem Bereich des hypnotischen Laboratoriums, in dem sich nun auch der Stuhl befindet, zu benennen.

    Die ausreichend hypnotisierbare Versuchsperson wird alle erkennbaren Gegenstände aufzählen, mit Ausnahme des Stuhls.

    Nach diesem Test erhält der Hypnotisand den posthypnotischen Befehl, nach dem Aufwachen aus der Hypnose von einem Punkt des Raumes (A) zu einem andern Punkt des Raumes (B) zu gehen – und zwar auf dem kürzesten Wege. Zudem wird eine Amnesie für den Vorgang der Hypnotisierung hervorgerufen. Nun wird er aus der Hypnose aufgeweckt. Er ist aber immer noch „stuhlblind“. Dies ist ihm natürlich nicht bewusst.

    Daraufhin wird das zuvor suggerierte Signal gegeben, das die Ausführung des posthypnotischen Befehls auslöst. Der Hypnotiseur berührt beispielsweise wie zufällig seine Nase mit dem linken Zeigefinger und der Hypnotisand setzt sich in Bewegung.

    Der experimentellen Anordnung entsprechend, versperrt der Stuhl allerdings den kürzesten Weg zwischen A und B. In aller Regel wird der hypnotisch selektiv Blinde jedoch nicht mit dem Stuhl zusammenstoßen, sondern sich – nicht selten in skurrilen Mustern – um ihn herumbewegen.

    Auf Befragen wird er entweder bestreiten, nicht auf direktem Weg von A nach B gegangen zu sein, oder er wird scheinbar vernünftige Gründe für sein Verhalten angeben (Rationalisierung). Erst wenn die Amnesie für die Hypnotisierung wieder aufgehoben wurde, kann die Versuchsperson den Stuhl bewusst wahrnehmen.

    Um von A nach B zu gehen und dabei dem Stuhl auszuweichen, ist es logisch zwingend erforderlich, den Stuhl zu sehen. Er muss also bewusst sein. Gleichzeitig aber ist der Versuchsperson nicht bewusst, dass sie den Stuhl bewusst wahrgenommen hat, sobald sie danach befragt wird.

    Überdies hatte die Versuchsperson die Absicht, den Befehlen des Hypnotiseurs zu gehorchen, sie handelte diesen Absichten entsprechend, ohne sich dessen infolge der hypnotischen Amnesie bewusst zu sein.

    Und schlussendlich hatte die Versuchsperson auch die Absicht, dem Stuhl auszuweichen, sie handelte in Übereinstimmung mit diesem Vorsatz, rationalisiert aber die Gründe ihres Verhaltens den Tatsachen widersprechend.

    Phänomene dieser Art könnte man als „wissendes Nichtwissen“ bezeichnen. Die Versuchsperson weiß, dass ein Stuhl im Weg steht und sie weiß es zugleich nicht. Dieses „wissende Nichtwissen“ ist überaus charakteristisch für hypnotische Prozesse – nicht nur im Bereich der hypnotischen Blindheit.

    Das „wissende Nichtwissen“ widerspricht offensichtlich der Logik, jedenfalls der klassischen. Möglicherweise sind derartige Phänomene nur auf Basis einer nicht-klassischen, einer polykontexturalen Logik (im Sinne Gotthardt Günthers) zu verstehen.

    Aus dieser Sicht würde das Bewusstsein durch Hypnotisierung in mehrere Kontexte (mindestens zwei) zerfallen, die in sich der klassischen Logik gehorchen, ihr untereinander aber widersprechen.

    In oben beschriebenen Fall gäbe es also u. a. folgende Kontexte des Bewusstseins:

    Kontext 1: Von A nach B gehen, Stuhl sehen, dem Stuhl ausweichen
    Kontext 2: Von A nach B gehen, den Stuhl nicht sehen, Kursabweichung ggf. vermerken, aber nicht reflektieren.

    Beide Kontexte sind während des Handlungsvollzugs, trotz ihrer Widersprüchlichkeit, aktiv; das Bewusstsein ist dissoziiert. Hebt nun der Hypnotiseur die Amnesie des Hypnotisierten für die Hypnose auf, dann tritt die Erinnerung an Kontext 1 hervor und dominiert wieder das Bewusstsein, wie es bei einem Nicht-Hypnotisierten in dieser Situation der Fall wäre.

    Aus meiner Sicht gibt es „nichtwissendes Wissen“ nicht nur bei Hypnotisierten, sondern es handelt sich dabei um ein ziemlich alltägliches Phänomen, das sich aber nur zu leicht der Reflexion entzieht, denn im Fokus unserer Aufmerksamkeit kann immer nur ein Bewusstseinskontext stehen. Dadurch entsteht die Illusion eines einheitlichen Ichs.

    Die hypnotische Blindheit wird auch als negative Halluzination bezeichnet. Bei der positiven Halluzination sieht man etwas, was nicht vorhanden ist; bei der negativen ist es umgekehrt.

    Negative Halluzinationen setzen aber positive Halluzinationen voraus. Im vorliegenden Fall muss der Hypnotisand beispielsweise alle Bereiche des Hintergrunds, die vom Stuhl verdeckt werden, halluzinieren.

    Steht der Stuhl beispielsweise – sagen wir – auf einem Teppich mit einem eingewobenen Kamel, so muss der Hypnotisierte jene Teile des Kamels, die sich unsichtbar unter der Sitzfläche des Stuhls befinden, halluzinieren.

    Damit er aber weiß, was er zu halluzinieren hat, was also vom Stuhl verdeckt wurde, muss er den Stuhl gesehen haben.

    Pointiert formuliert: Um eine hypnotische Blindheit für einen Stuhl zu entwickeln, muss man den Stuhl sehen. Man muss den Stuhl sehen, um ihn nicht zu sehen. Welcher Teil dieses Phänomens ist denn da bewusst, welcher nicht?

    Nehmen wir an, jemand erhält den posthypnotischen Befehl, nach dem Aufwachen aus der Hypnose in die Hände zu klatschen, sobald der Hypnotiseur „Auf Wiedersehen“ sagt. Er wird für diesen Befehl amnestisch gemacht.

    Der Hypnotiseur sagt: „Auf Wiedersehen“ und der Hypnotisierte klatscht in die Hände. Einerseits hatte der Hypnotisierte, weil amnestisch, nicht die bewusste Absicht, in die Hände zu klatschen, weil der Hypnotiseur „Auf Wiedersehen“ sagte.

    Wäre ihm aber nicht bewusst gewesen, dass „Auf Wiedersehen“ das vereinbarte Signal dafür war, in die Hände zu klatschen, dann hätte der Hypnotisierte nicht in die Hände geklatscht.

    Die konditionierte, gleichsam automatisierte Reaktion auf „Auf Wiedersehen“ ist nämlich ebenfalls „Auf Wiedersehen“.

    In die Hände zu klatschen, ist in diesem Falle ein Durchbrechen einer automatischen Reaktion und genau dies ist ein Charakteristikum bewussten Handelns. Auch hier die Frage: Welcher Teil ist bewusst?

    Es ist erlernt, einem Hindernis auszuweichen, sofern man es sieht. Sieht man es nicht, stolpert man darüber oder rasselt dagegen.

    Wie ich oben bereits schrieb, setzt die hypnotische Blindheit eine negative Halluzination voraus. Man muss Dinge halluzinieren, die durch den Gegenstand verdeckt werden, für den man durch einen hypnotischen Befehl blind wurde.

    Wie bereits hervorgehoben: Man muss den Gegenstand gesehen haben, um ihn nicht zu sehen.

    Weil das so ist, kann man ihm auch ausweichen. Weicht man ihm aber aus, so ist das immer bewusst, auch wenn man darüber nicht nachdenken muss. Ausweichen kann man nämlich nur Gegenständen, deren Lage man verortet. Man muss seinen Abstand zum Gegenstand, dem ausgewichen werden soll, im Handlungsverlauf immer wieder neu bestimmen. So etwas nennt man in den Neuro-Wissenschaften „executive control“ und „executive control“ ist ein Merkmal von Bewusstheit.

    Man denke noch einmal an das Phänomen der hypnotischen Blindheit und an die Tatsache, dass der Hypnotisierte den Gegenstand sehen muss, um ihn nicht zu sehen. Sehen und Nicht-Sehen sind hier funktionell unentwirrbar miteinander verschränkt, weil die negative Halluzination eine positive Halluzination erfordert, der perfekt auf erstere abgestimmt ist. Und das lässt sich im Rahmen der klassischen Logik eben nicht modellieren.

    Ein Experiment: Der Versuchsperson wird eine Liste mit Wörtern vorgelegt. Sie wird aufgefordert, diese Liste auswendig zu lernen. Eines dieser Wörter beginnt mit einem X, sagen wir: Xanten. Nun wird eine selektive Amnesie für alle Wörter erzeugt, die mit X beginnen.

    Bei derartigen Experimenten können gut hypnotisierbare Versuchspersonen, die sonst fehlerfrei die gesamte Liste erinnern, das Wort „Xanten“ nicht reproduzieren. Nicht selten liegt es ihnen aber auf der Zunge. Es kommt ihnen so vor, als kennten sie es, als wüssten sie es, als hätten sie es gleich, Augenblick noch… Nichts ist. Wissendes Nichtwissen.

    Wissendes Nichtwissen ist der Schlüssel zum Verständnis des hypnotischen Zwangs. In einem Bewusstseinskontext weiß der Hypnotisierte, dass er dem Befehl des Hypnotiseurs gehorchen will. Er hat diese Absicht. Und in einem anderen, gleichzeitig aktiven Bewusstseinskontext weiß er es nicht. Daher erscheint sein Verhalten zwanghaft. Daher wird er eine Pseudo-Erklärung, eine Rationalisierung für sein posthypnotisches Verhalten angeben.

    Die Hürde, die zu nehmen ist, um dieses Phänomen zu verstehen, besteht darin, die Illusion eines integralen Ichs aufzugeben.

    Die Hürde muss man meines Erachtens auch nehmen, wenn man die Zwangsstörung verstehen will. Der Zwangsgestörte will sich beispielsweise die Hände waschen, immer und immer wieder will er dies, und er will es zugleich nicht, kann sich aber nicht bezwingen, dies zu unterlassen. Er weiß nämlich in einem Bewusstseinskontext nicht, warum er sich die Hände waschen will, wohingegen ihn im anderen Bewusstseinskontext dieses Wissen gerade zu seiner Handlung antreibt. Der wissende Bewusstseinskontext sorgt für das beständig wiederholte Händewaschen, wohingegen der nicht-wissende Bewusstseinskontext für den beständig wiederholten Besuch beim Psychotherapeuten verantwortlich zeichnet.

    Ich betone also noch einmal mit besonderem Nachdruck: Die Möglichkeit krimineller Hypnose steht nicht im Widerspruch dazu, dass die Hypnose ein Rollenspiel und der hypnotische Zwang kein Automatismus ist. Im Gegenteil: Der kriminelle Hypnotiseur wird versuchen, dieses dissoziative Rollenspiel zu konditionieren und im Hypnotisanden die Bereitschaft einzupflanzen, die Befehle des Hypnotiseurs zu befolgen, einschließlich des Befehls, sich nach dem „Aufwachen“ nicht mehr an die Hypnose erinnern zu können.

  12. Meinen ganz besonderen und herzlichen Dank für Ihren höchst interessanten und illustrativen Beitrag!

    In ganz weiten Teilen bin ich da Ihrer Meinung: Zum einen betrachte ich Hypnose auch wesentlich als „Rolle“ (natürlich nicht im Sinne eines bewussten Schauspielerns).

    (Am Rande: Kann es sein, dass Sie sich an einem Punkt verschrieben haben, nämich als Sie sagten, dass ein Beankraub „automatisch“ möglich sei? Aufgrund des Kontextes Ihrer Ausführung und der Tatsache, dass so ein Vorhaben viel Spontanität, komplexes Verhalten, Flexibilität, intelligente Entscheidungen in der Situation voraussetzt usw., würde ich vermuten, dass es „nicht automatisch möglich“ bedeuten sollte.)

    Ihren Beispielen von der doppelten „Wahrnehmung“ oder doppelten „Logik“ stimme ich ebenfalls gerne zu und möchte mich für die gute Beschreibung und die wichtigen Erörterungen sehr bedanken.

    Bei der Interpretation würde ich persönlich etwas andere Wege gehen, und zwar würde ich nicht bei der Logik, sondern beim Konzept des Bewusstseins ansetzen. Ich würde infragestellen, dass intelligentes Handeln mithilfe exekutiver Kontrolle eine „Bewusstheit“ im strengen Sinne voraussetzt. Eher würde ich postulieren, dass unbewusste Prozesse wirksam sein können, die jedoch so intelligent, persönlichkeitsnah und zielgerichtet sind, dass man sie als „quasi-bewusst“ bezeichnen könnte.
    Persönlich finde ich deswegen auch Oakleys Ansatz interessant, da dieser Autor Exekutive Kontrolle und Bewusstsein unterscheidet:

    Klicke, um auf Oakley-Hypnosis_consciousness.pdf zuzugreifen

    Der Einfachheit wegen könnte man (mit Orne) von „Trancelogik“-Phänomenen sprechen. Eine Unterschiedung zu Phänomenen, die man mit dem dem Schlagwort „hidden observer“ bezeichnet, scheint mir hier nicht notwendig. (Der Unterschied ist der, dass bei der Trancelogik „implizit“ aus dem Verhalten die Realitätsorienterung erkennbar wird, während beim „hidden observer“ unterbewusstes Wissen explizit mitgeteilt/verbalisiert wird.)

    Vor allem würde ich eine Assymetrie zwischen dem explizit-bewussten und dem implizit-„unterbewussten“ Wissen annehmen und betonen wollen. Die „ausschlaggebende“ Ebene, die das Verhalten letztlich steuert, ist jene (m.E.) unterbewusste, die den Realitätsbezug behält, die die Wirklichkeit akkurat wahrnimmt. Dies haben Sie sehr schön am Beispiel der negativen Halluzination des Stuhles illustriert: Das Gesamt-Verhalten (wie der Hypnotisierte seinen Weg wählt) wird von der Ebene der akkuraten Wahrenehmung bestimmt; und selbst die negative oder positive Halluzination selbst setzt bereits voraus, dass eine angemessene Wahrnehmung stattfindet.

    Vielleicht darf ich noch zwei, drei weitere Beispiele ergänzen, die diesen Punkt noch unterstreichen:
    Wenn ein Showhypnotiseur deinem Teilnehmer suggeriert, dass er mit Besen tanzen soll (den er als attraktive Tanzpartnerin halluzinieren soll), dann sieht er zwar tatsächlich eine Frau, mit der er dann tanzt (wenn er gut auf Hypnose reagiert). Zugleich „behandelt“ er den Besen aber wie einen Besen und nicht wie einen Menschen: Der Proband umfasst den Schaft so, wie man eine Stange umfasst. Das ist auch notwendig: Würde der Teilnehmer den Besen wie einen Menschen anfassen, wie man das mit einem menschlichen tanzpartner tut, wo würde der besen kaum richtig greifbar sein, und der „Stunt“ mit dem Besen-Tanzen würde nicht funktionieren.

    Der Hypnotisierte muss hier also folgende Aufgaben bewältigen:

    1. Er muss eine akkurate visuelle Wahrnehmung besitzen.
    2. Er muss die Situation akkurat und realistisch einschätzen: Dass er einen Besen und keinen Menschen vor sich hat.
    3. Er muss beim „Umgang“ mit der der Halluzination sein Wissen und seine Wahrnehmung von der „tatsächlichen“ Realität nutzen, um überzeugend auf die Halluzination reagieren zu können – also den Besen richtig anfassen -, im Sinne der erwarteten „Performance“.
    3. Er muss die visuelle Wahrnehmung, das Wissen von der tatsächlichen Situation und seine Überlegungen, die für eine angemessene Reaktion nötig sind, von der bewussten Repräsentation/Ebene abspalten.
    4. Er muss eine Halluzination erzeugen.

    Was m.E. hier sichtbar wird, ist, dass die Verhaltenskontrolle auf der unterbewussten Ebene mit akkuratem Realitätsbezug stattfindet. Das Verhalten des Hypnotisierten ist nicht an der Halluzination als solcher orientiert, sondern an der realen Situation und an dem Wissen von ihr: Nömlich dass da ein Besen ist, dass der als Mensch wahrgenommen werden soll, und dass mit ihm, soweit das möglich ist, wie mit einem Menschen umgegangen werden soll, und dass es dazu nötig ist, ihn wie einen Besen anzufassen. Das Verhalten muss systematisch und einheitlich geplant und orchestriert werden, und das kann nur auf der unterbewusst-realitätsorientierten Ebene stattfinden, da nur dort die relevanten Informationen präsent sind.

    Ein weiteres schönes Beispiel gibt Mallard (Link in einem der früheren kommentare, ich glaube dem ersten):
    Probanden halluzinierten ein Kästchen negativ und bekamen dann den Auftrag, ihre Hand dorthin auszustrecken, wo es sich befand. Damit sollte der Konflikt von Suggestion und Realität getestete werden. Diejenigen, die die Halluzination aufrecht erhalten konnten, reagierten gewöhnlich „strategisch“. Ein Probend beispielsweise fasste absichltlich daneben, um das Objekt nicht zu spüren. Er war sich dessen jedoch in diesem Moment nach seiner Aussage darüber gar nicht bewusst, sondern er realisierte das alles erst später.

    Was hier wieder klar wird (und man könnte noch viele weitere Beispile anführen): Die Verhaltenssequenz wird auf einer Ebene geplant und realisiert, auf der die Situation realistisch wahrgenommen und eingeschätzt wird.

    Es gilt allgemein: Das vermeintliche Reagieren auf eine Halluzination (oder ein verwandtes Phänomen) ist in Wahrheit tatsächlich NICHT eine Reaktion auf die Halluzination, sondern auf die Gesamtsituation, wie sie auf einer übergeordneten, handlungsentscheidenden Ebene realistisch eingeschätzt und beantwortet wird. Dies kommt mir in dieser Klarheit eigentlich erst, während ich es jetzt niederschreibe, obwohl es dem Sinn nach ja nichts Neues ist. Man kann es generalisieren und wie folgt formulieren:

    Die Reaktion auf eine Suggestion ist tatsächlich immer eine Reaktion auf die Gesamtsituation, die realistisch erkannt und eingeschätzt wird, und zwar vor dem Hintergrund der Wahrnehmung und des Wissens des „Subjekts“ im Zusammenspiel mit den impliziten und expliziten Hinweisen und individueell-idiosynkratischen Faktoren. Dies gilt auch für Suggestionen, die Realitätsverzerrungen beinhalten.

    Was mir hieraus zu folgen scheint, ist, dass die bewusste Ebene, die eine Halluzination wahrnimmt und an sie glaubt, und diejenige, die die Realität erkennt, nicht in einem symmetrischen Verhältnis stehen. Die „realistische“ Ebene ist vielmehr in verschiedenerlei Hinsicht primär bzw. vor- und übergeordnet:

    a) Sie weiß all das, was der bewusste „Teil“ der Psyche, der der Halluzination folgen nwird, auch weiß, während das Umgekehrte keineswegs gilt.
    b) Damit der Proband auf bewusster Ebene einer hypnotischen Täuschung unterliegen kann, muss der unterbewusste, „realitätsorientierte“ Teil diese Täuschung generieren, und zwar in einer situationsangemessenen Weise, die eine akkurate Wahrnehmung voraussetzt..
    c) Das gesamt-Verhaltens in seiner Art und Sequenz entspricht der realen Situation und ihren Erfordernissen, nicht der halluzinierten Pseudo-Wirklichkeit; daher ist klar, dass der „ralitätsorientierte“ Teil eindeutig die Kontrolle ausübt. Die „bewusste“ Überzeugung des Probanden, dass sein Verhalten an der vermeintlich realen, in Wahrheit durch den Hypnotiseur suggerierten Pseudo-Realität ausgerichtet ist, ist illusinär. Die halluzinierte Realität beeinflusst zwar das Verhalten, aber nicht „per se“,sondern insofern es Teil der (unterbewusst akkurat beurteilten) Gesamtsituation ist.

    Demnach wäre also der „Part“, der die Wirklichkeit akkurat beurteilt, „hirarchisch“ über- und vorgeordnet, und „handlungsentscheidend“.
    Dieser Umstand scheint dürfte auch unabhängig von „Tiefe“ der Hypnose oder Training zu bestehen, da er offenbar eine intrinsische und notwendige Eigenschaft des hypnotischen Phänomens als solchem ist, wie es auch an ihren Erörterungen deutlich wird.

    Aber vielleicht ist diese Sprechweise von hirarchischen Ebenen auch etwas irreführend. Vielleicht sollte man eher sagen, dass eine Person als solche die Realität wahrnimmt, für sich aber in gewisser Weise, der Suggestion entsprechend, eine Täuschung erzeugen kann, ohne dass diese Täuschung aber zu „tief gehen“ und etwas Entschedendes an der Wirklichkeitserkenntnis der Person ändern würde. Letztlich wäre eine hypnotische Täuschung dann ein Phänomen, das den menschen eher „am Rande“ tangiert.

    Auch wenn es eigentlich nur am Rande mit diesen Fragen zu tun hat, möchte ich noch ganz kurz eine Beobachtung schildern, weil ich sie interessant finde: Bei einigen Versuchen habe ich Probanden, die eine negative Halluzination hatten (sei es für meine Stimme, sei es für sichtbare Gegenstände), später suggeriert, dass sie unterbewusst die Informationen registriert haben und sich nun an sie erinnern werden.

    In einigen Fällen war die Erinnerung dann wirklich so hergestellt, als hätten die Probanden die Stimuli völlig normal registriert. Manchmal kam es dabei sogar zu der interessanten Reaktion, dass die Probanden im Nachhinein glaubten, dass sie die negativ halluzinierten Gegenstände gar nicht negativ halluziniert, sondern sie in der Situation völlig normal wahrgenommen hatten. (Was ich allerdings definitiv nicht auf „Compliance“ in dem Sinne zurückführe, dass die Halluzinationen anfangs nur erlogen waren.)

    In anderen Fällen erinnerten sich Probanden zwar nicht im strengen Sinne, aber sie hatten intuitiv ein akkurates Wissen von allem, was passiert war. Es ist klar, dass dieser ganze Phänomen-Komplex, den Sie so gut dargestellt hatten, rätsehaft ist, und nur mit Mühe eine gute Erklärung zu finden sein mag. (Von welcher Seite aus man das Problem zu lösen versucht, und ob die Erklärungs-Ansätze letztlich koinzidieren, wären weitere Fragen.)

    Um allerdings noch einmal auf das ursprüngliche Thema zurückzukommen: Wenn man davon ausggehen würde, dass entsprechende hypnotische Phänomene ohne exekutive Kontrolle, Intelligenz, Motivation usw. funktionieren, dann wäre es naheliegend, dass man diesen Umstand missbrauchen kann, um hypnotische Verbrechen zu induzieren. Das ist klar und liegt auf der Hand.

    Wenn jedoch die „Subjekte“ bei der Hypnose, und zwar auch beim Realisieren hypnotischer Phänomene, auf der handlungs-entscheidenden Ebene nicht nur den Realitätsbezug wahren, sondern auch ihre Exekutive Kontrolle besitzen, und somit auch ihre Intelligenz, ihre moralischen Normen, ihre Verhaltenskontrolle usw., wieso sollten dann Hypnose und hypnotische Phänomene – über die psychosozialen Komponenten hinaus – Verbrechen begünstigen?

    Oder anders gefragt: Wenn jemand (unterbewusst) eine Rolle spielt, aber letztlich die rollen-unabhängige Wirklichkeit sein Handeln stets entscheidend mitprägt, wenn manchmal auch subtil und erst bei genauem Hinsehen erkennbar; und wenn diese Realität für diese person bewusst oder unbewusst verfügbar ist, auf der Ebene exekutiver Kontrolle: Wieso sollte derjenige eine verminderte Macht über sich selbst besitzen?

  13. Sie haben natürlich recht, was den automatischen Bankraub betrifft. Dieser stünde uneingeschränkt in Widerspruch zu dem, was ich sonst schrieb und denke. Also: ein Schreibfehler. Danke für den Hinweis.

    Inzwischen habe ich bemerkt, dass sich unsere Positionen offenbar gar nicht so sehr unterscheiden, wie ich ursprünglich dachte.

    Ich wende mich daher Ihrer letzten Frage zu:

    1. Es mag zwar zutreffen, dass niemand unter Hypnose zu Handlungen veranlasst werden könne, die seinen moralischen Prinzipien und den von ihm anerkannten Normen der Gesellschaft widersprechen.

    Doch dies schließt die Möglichkeit krimineller Hypnose nicht aus, denn kriminelle Hypnotiseure stellen sich darauf ein. Sie verwenden sehr viel Mühe darauf, die Wertmaßstäbe ihrer Opfer so zu verändern, dass sie den angestrebten Taten nicht mehr im Wege stehen oder die Wahrnehmung der angestrebten Taten so zu manipulieren, dass sie nicht mehr mit den Wertmaßstäben des Hypnotisierten zu konfligieren scheinen.

    So könnte der kriminelle Hypnotiseur seinem Opfer beispielsweise suggerieren, er solle einen Menschen töten, weil er nur so verhindern könne, dass dieser Mensch Frau und Kinder des Hypnotisanden umbringt.

    Dies klingt natürlich etwas simpel gestrickt. Dabei muss man aber bedenken, dass durch Hypnose die Kritikfähigkeit des Hypnotisierten erheblich eingeschränkt sein kann.

    2. Die Macht des Hypnotiseurs beruht auf der Identifikation des Hypnotisanden mit ihm. Freud verglich die Hypnose mit der Verliebtheit und der Einstellung des Individuums in einer Masse zu deren Führer.

    Aus meiner Sicht werden in der Hypnose auch Elemente der Mutter-Kind-Beziehung aus frühester Kindheit aktiviert. Das Neugeborene reagiert bereits auf die Stimme der Mutter, wohl auch, weil sie ihm aus dem Mutterleib bereits vertraut ist.

    Die mütterliche Stimme hat für das Kind bereits eine herausgehobene Bedeutung (eine hypnotische Kraft), bevor es zu sprechen gelernt hat und den Sinn ihrer Worte versteht.

    Diese enge Bindung über Stimme und Gehör ähnelt offenkundig der Beziehung zwischen Hypnotiseur und Hypnotisierten.

    3. Wenn es dem Hypnotiseur also gelingt, eine sehr enge Beziehung zum Hypnotisanden, eine „hypnotische Verliebtheit“ zu erzeugen, dann könnte ein entsprechend empfänglicher Hypnotisierter geneigt sein, seine bisherigen Einstellungen und Wertvorstellungen denen des Hypnotiseurs anzupassen.

    4. Es ist auch denkbar, dass es dem Hypnotiseur gelingt, eine dissoziative Beziehung zu seinem Opfer nach dem Muster eines gute-Mutter-böse-Mutter-Schemas (M. Klein: gute Brust – böse Brust) aufzubauen. Der Hypnotisierte würde dann im einen Kontext den Hypnotiseur fürchten und im anderen lieben. Damit kann man sehr effektive Doppelbindungseffekte erzeugen.

    5. Es ist zwar richtig, dass die Wirklichkeit das Handeln des Hypnotisierten entscheidend prägt. Dies ist aber nicht rollenunabhängig.

    Vielmehr gehört es zur Rolle des Hypnotisierten, die Wirklichkeit im Sinne des von mir beschriebenen wissenden Nichtwissens einerseits unverzerrt wahrzunehmen und andererseits nur in der jeweils suggerierten Verzerrung.

    Die Welt des Hypnotisierten ist ebenso wie seine Beziehung zum Hypnotiseur eine zutiefst ironische. Das Romantische daran ist gerade das Faszinierende dabei und dies trägt wesentlich dazu bei, dass der Hypnotisierte bei der Stange bleibt.

    6. Gerade das Spielerische und Ironische des gesamten hypnotischen Prozesses führt bei entsprechend disponierten Personen zu einer gesteigerten Bereitschaft und Fähigkeit, sich von den Konditionierungen ihrer Persönlichkeit zumindest partiell zu distanzieren und dies macht sie offener für sonst undenkbare Grenzüberschreitungen.

    Die genannten Punkte könnten dazu führen, dass der Hypnotisierte eine verminderte Macht über sich besitzt, weil er eine verminderte Macht über sich besitzen will. Er verzichtet freiwillig auf seinen freien Willen. Das wissende Nichtwissen wird durch eine selbstgewollte Willenlosigkeit ergänzt.

    Der kriminelle Hypnotiseur muss sein Opfer solange bearbeiten, bis es einige Stunden in diesem höchst ironischen, höchst romantischen Zustand extremer Dissoziation zu verbleiben vermag. Dann muss er es losschicken, damit es diese Zeit nutzt, um einen Menschen zu töten, eine Bank auszurauben, eine Bombe zu zünden. Kurz: Hier handelt es sich nicht um eine oder einzelne hypnotische Sitzungen, sondern um eine ausgefeilte hypnotische Strategie. Wenn dann der Schleier fällt, ist es für das Opfer zu spät.

    Ob das funktioniert? Keine Ahnung. Wir sind alle verführbar. Bis zu einem gewissen Grad.

  14. Vielen Dank für die Antwort!

    (Obwohl es eine Bagatelle ist und so ein Schreibfehler sich ganz leicht einschleichen kann, leicht, habe ich beim Satz mit dem Bankraub ein „nicht“ eingeführt, um den Lesefluss zu erleichtern; das soll natürlich nur unter der Bedingung Ihres Einverstänsnisses sein, das ich hier vorerst einmal vorausgesetzt habe.)

    „Wissendes Nichtissen“ und Kritikfähigkeit

    Als „wissende“ Seite bezeichne ich hier in Ihrem Sinne diejenige mit erhaltenem Realitätsbezug und akkurater Wahrnehmung (sie ist m.E. in gewissem Sinne unterbewusst); als „unwissende“ Seite bezeichne ich jenen „Anteil“, der von der Illusion betroffen ist, der den Realitätsbezug inwsoweit verliert und mit dem „bewussten“ Empfinden und Reagiren einhergeht.

    Wie Sie schön herausgearbeitet haben, ist das „Wissen“ (der Ralitätsbezug) jederzeit Voraussetzung des „Nicht-Wissens“ (der Illusion); Das Wissen kann ohne das Unwissen existieren (die normale Wahrnehmung ohne die Illusion), nicht jedoch umgekhrt

    Wichtig ist außerdem, dass die „wissende“ und die „unwissende“ Seite nicht gegen einander arbeiten und jeweils eigenständig das Handeln des „Subjekts“ beeinflussen. Denn dann wäre die Person hin- und hergerissen, und ein abgestimmtes, geordnetes und einheitliches Verhalten wäre nicht mehr gegeben. Die eine Seite zöge in die eine Richtung, die andere in die andere.

    Es muss also eine einheitliche Verhaltenskontrolle geben. Die kann aber nur bei der „wissenden“ Seite liegen. Denn das Verhalten zeigt ja, dass auch Informationen bereit stehen müssen, die der „unwissenden“ Seite entzogen sind, und diese Informationen stehen in einem sinnvollen Bezug zu den anderen Kognitionen und legen somit die Grundlage für ein koordiniertes Gesamt-Verhalten. Nur auf der wissenden Ebene können alle Informationen integriert werden, die für das geordneten Gesmtverhalten relevant sind.

    Daraus ergibt sich dann weiterhin, dass das Nicht-Wissen (oder die Illusion) das Verhalten nicht in seiner Eigenschaft als „Nicht-Wissen“ beeinflusst, oder höchstens nur in geringem Maße. Die Illusion beeinfalusst das Verhalten nicht qua Illusion, sondern insofern sie eine implizite oder Meta-Suggestion darstellt – und diese wird vom Hypnotisierten erkannt und verarbeitet, und zwar insofern er „wissend“ ist.

    Dies bedeute dann m.E., dass Wissen und Unwissen nicht „gleichberechtigt“ nebeneinander leigen, sondern dass die Person „in ihrer Gesamtheit“, als „handelndes Subjekt“, wissend ist und den Realitätsbezug besitzt (auch wenn Illusionen auf einer bewussten Eben sehr realistisch und intensiv erlebt werden können).

    Deswegen habe ich auch mit dem Begriff der „verminderten Kritikfähigkeit“ meine Probleme, wenn damit gemeint ist, dass Realität und hypnotische Fiktion nicht mehr richtig auseinander gehalten werden können. Denn es ist ja nicht so, dass der Hypnotisierte sich gewissermaßen „halb“ an der Realität und „halb“ an der hypnotischen Rolle (oder der Illusion) orientiert, im Sinne eines faulen Kompromisses; vielmehr integriert er Relaität und hypnotische Rolle auf gekonnnte Weise, so dass beide jeweils auf ihre Weise relevant bleiben und zu ihrem „Recht“ kommen; das „Subjekt“ handelt entsprechend der hypnotischen Rolle vor dem Hintergrund der Realität.

    Eine solche Verhaltensweise setzt nicht nur den (voll) erhaltenen Realitätsbezug voraus, also die Fähigkeit, die Realität zu erkennen und angemessen auf sie zu reagieren, sondern eine intelligente und reflektierte Anstrengung, um Realität und hypnotische Rolle auf einander abzustimmen und passgenau „unter einen Hut“ zu bringen, also sie im Sinne einems einzigen Reaktins-Schemas zu verbinden. Hierbei handelt es sich dann weniger um ein „Nebeneinander“ von Realität und hypnotischer Rolle als um eine Integration.

    Daher würde ich auch sagen wollen, dass die Rakation auf hypnotisch Suggestionen (insbesondere auf solche, bei denen Illusionen und Halluzinationen entstehen), nicht auf Kritik-Unfähigkeit oder einer anderen „Unfähigkeit“ oder Defizien beruht, sondern im Gegenteil auf einer Fähigkeit. Ich würde sogar meinen, dass hier von einer aktiven, kreativen Gestaltungs-Leistung gesprochen werden kann. (Siehe auch entsprechend Mallard, viel weiter oben verlinkt.)

    „Wissendes Nichtwissen“ und Hypnose-Verbrechen: Theoretisch betrachtet

    Aus all dem Gesagten ergibt sich nach meiner Meinung Folgendes: Wenn der Hypnotisierte so verhält, als würde sein Tun durch die Illusion geprägt, dann ist das motiviertes Rollenverhalten; er verhält sich so, weil und solange ihm das angemessen zu sein scheint. Aber natürlich muss der Hypnotisierte nicht bedingungslos der Rolle „gehorchen“. Er kann entscheiden, inwieweit er der der hypnotischen Rolle folgen will oder nicht; und dies kann er auf exekutiver Ebne tun, unter Berücksichtigung aller relevanter Gesichtspunkte; also als „Wissender“, der Rolle und Wirklichkeit unterscheiden kann.

    Um auf die Faust-Analogie zurückzukommen: Hans Maier mag nicht nur den Faust spielen, sondern sogar in gewisser Weise der Faust „sein“. Wen er aber sieht, wie sein Kollege auf der Bühne stürzt und sich aufgenscheinlich schwer verletzt, dann wird er, ohne lang nachdenken zu müssen, Hilfe holen, etwa zu seinem Handy rennen usw. Hans Maier weiß immer, was „Sache ist“, und er kann immer entscheiden, ob es angemessen ist, sich einer Rolle entsprechend zu verhalten oder nicht; selbst wenn er zeitweise auf bewusster Ebene vergisst, dass er Hans Maier und nicht Faust ist.

    Aufgrund des Gesagten sollte das analog auch für den fall der Hypnose und der hypnotischen illusion gelten.

    (Eine Inkongruenz des Verhaltens mit der hypnotischen Rolle zeigt sich übrigens womöglich bereits unter Normal-Bedingungen, also harmlosen umständen, indem Hypnotisierte unsichtbare Hindernisse typischerweise meiden, wie sie das ausgeführt haben. Nach orne renenn hingegen Simulanten gegn das Hindernis. Demnach würde hier bereits die hypnotische Rolle, die auch der Simulant verkörpert, bereits „verlassen“. Spanos und Kollegen kamen allerdings zu dem abweichenden Befund, dass auch Simulanten ein Hindernis umgehen; leider weiß ich nicht mehr wo das beschrieben ist, aber das liesse sich sicher rausfinden.)

    Natürlich könnte man sagen, dass das „Subjekt“, wenn es von einem Hypnotiseur psychisch abhängig ist, in der hypnotischen Rolle verharrt und seinen Realitätsbezug nicht nutzt. Dies wäre dann jedoch m.E. nicht Resultat von fehlendem Realitätsbezug oder „Kritikunfähigkeit“, sondern von Motivation und Entscheidung; wobei Motivation und Entscheidung selbstredend auch das Ergebnis von Druck und Abhängigkeit sein können. Denn an der kognitiven Struktur der Prozesse selbst, also dem Verhältnis von „Wissen“ und „Nicht-Wissen“ und seiner Verarbeitung, ändert sich ja auch bei einer starken sozialen Abhängigkeit nichts.

    „Wissendes Unwissen“ und Hypnose-Verbrechen: Empirisch betrachtet

    Betrachten wir folgende These T:

    T) Illusionen und andere Täuschungen führen zu einem „tieferen“ Realitätsverlust und infolgedessen zu gesteigertem Gehorsam.

    Wenn T wahr ist, sollten folgende Vorhersagen ableitbar sein:

    S1) Sofern akkurate Ilusionen (und andere kognitive Verzerrungen) generiert werden, um ein (vermeintlich) unmoralischs Verhalten als moralisch gerechtfertigt erscheinen zu lassen, gehorchen Hypnotisierte praktisch immer.

    S2) Wenn erfolgreich Illusionen suggeriert werden, um ein harmloses Tun als höchst kriminell erscheinen zu lassen, dann sollten (ohne exorbitanten Druck) viele Probanden den Befehl verweigern und starke Stress-Symptome zeigen.

    Wenn T hingegen falsch ist, wenn hypnotische Halluzinationen also nicht zu einem profunden Realitätsverlust und damit indirekt zu enormem Gehorsam führen, dann sollten jeweils die Negationen von S1) und S2) gelten.

    Wir können nun also vielleicht T im Sinne eines „experimentum crucis“ testen: Wenn S1 und S 2 falsch sind, dann gälte mit der Kontraposition, dass auch die These T, aus der S1 und S2 folgen, falsch ist.

    Ganz so klar und distinkt ist das in der Praxis natürlich hier nicht möglich; aber vielleicht können wir wenigstens zu einer gewissen Annäherung und letztlich einer plausibel begründeten Aussage gelangen.

    Auch wenn es um die verfügbare empirische Evidenz, die wir nutzen können, nicht optimal steht, so sind doch manche Fakten verfügbar, die bei einer Prüfung dienlich sein mögen. Es soll es darum gehen, ob S1) und S2) oder ihre Negationen eher mit der Empirie übereinstimmen. So können wir dann indirekt auch Rückschlüsse für die eigentliche Ursprungsthese selbst ziehen.

    – Hypnotisierte „mit Illusion“ gehorchen nicht generell mehr als solche „ohne“. Rowland (siehe Orne, unten) beispielsweise suggerierte zwei „tief hypnotisierten“ Probanden, dass sie nach einer Giftschlange greifen sollten, nachdem er ihnen gesagt hatte, dass es sich um ein Seil handele; zwei weiteren gab er den direkten Befehl, ohne den Versuch einer hypnotischen Täuschung. Zwei von zwei gehorchten beim direkten Befehl, nur einer von zwei aber beim Experiment, bei dem die Seil-Illusion benutzt worden war. Allgemein scheint bei solchen Experimenten zu gelten, dass der Gehorsam hoch ist, aber im Fall von Illusionen nicht wesentlich höher als ohne (s.u.)

    – Bramwell, den ich für einen sehr guten Beobachter halte, schilderte einige Versuche mit exzellenten „tief hypnotisierten“ Versuchspersonen unter relativ realistischen Bedingungen; bei diesen verweigerten die Probanden den Gehorsam, auch dann, wenn Illusionen suggeriert worden waren. Ähnliche Einzelversuche werden immer wieder berichtet. Sie sprechen dafür, dass Hypnotisierte mit und Illusionen (selbst exzellente SUbjekte) gleichermaßen in einigen Fällen den gehorsam verweigern.

    – Es ist beispielsweise ein Fall des sexuellen Missbrauches bekannt (siehe Heap, in: Oxford Handbook of Hypnosis), bei dem der Hypnotiseur seinem weiblichen Opfer suggerierte, dass sein Penis ein Eis sei, an dem die Frau lecken solle. Das tat sie auch, aber ihr Verhalten „entsprach der realen Situation“, wie Heap sich in etwa ausdrückte, passte also wohl eher zu Oralverkehr als zum Konsum einem Eis. Soweit das Opfer hier also auf die Suggestionen des Täters reagierte, tat es das offenbar im „Wissen“ um die Situation; es handelte also an der tatsächlichen Realität orientiert, und nicht an einer vom Hypnotiseur geschaffenen Pseudo-Realität ausgerichtet. (Zudem gibt es leider auch genug Missbrauchsfälle ohne hypnotische Illusion und sogar ganz ohne Hypnose).

    – Die „Demand Characteristics“ des Experimentes scheinen wichtiger als eine suggerierte Illusion für das Gelingen des Versuchs zu sein, ebenso die Erwartungshaltung des Hypnotiseurs. Orne schreibt dazu.

    „In a review of the literature on this subject Weitzenhoffer (75) attempts to reconcile the contradictory evidence on inducing socially prohibited behavior. He points out that attempts which have been successful are those in which the subject was given a hallucinated pseudo-situation which redefined the behavior as socially acceptable. An instance of this would be the Wells‘ (80) demonstration. He induced the subject to „steal“ a dollar bill by being told it was his own money. Thus, from the subject’s viewpoint he was no longer committing a transgression. Weitzenhoffer attributes failure to induce subjects to perform „antisocial“ acts to those situations in which the subject perceives the transgressive nature of his behavior. This explanation, although seductive at first glance, does not appear to do justice to the literature. Erickson attempted in some instances to create this type of situation and obtained negative results. On the other hand, Schneck was unaware of the normative implications of his posthypnotic suggestion at the time it was given. Nor was there any attempt to disguise the dangerous nature of the situations in the Rowland or Young experiments.“
    http://www.psych.upenn.edu/history/orne/orne1961inbidermanzimmerbc.html

    „Brenman (1942) discusses a more complex situation. She defined a task as antisocial, but, in giving the hypnotic instructions, redefined the same task as acceptable. She overtly requested compliance with the instructions and also communicated implicitly that the behavior should be carried out. The crucial factor in her studies, it seems, is not her explicit justification and legitimization of the behavior, but rather the fact that in the experimental context the behavior itself is essentially harmlesss. The elaborately developed hallucinated situation which justified the behavior was probably unnecessary, but it might have helped to convey more effectively that she expected compliance. Wells (1941) provides the experimental data to support this view. He was able to induce compliance to the same type of behavior requested by Brenman without hypnotically falsifying the situation“…

    „In these experiments [Rowland, Young, Lyon] compliance could be elicited either by direct suggestion or by hypnotically falsifying the situation. Young carried out his experiments in both situations and found little difference in his ability to force subjects to carry out types of behavior which both Lyon and Rowland went to some trouble to rationalize by hypnotically induced hallucination. The conflicting instructions in the latter two studies merely make interpretation more difficult but do not materially affect the outcome, i.e., compliance or refusal.“
    http://www.psych.upenn.edu/history/orne/orne1962estabrooksbc.html

    – Kline (siehe Orne, beide gerade verlinkten Texte) führte ein Experiment mit vier Hypnotiseuren durch. Eine Versuchsperson wurde angehalten, eine aus Gründen der Illegalität nicht weiter beschriebene Straftat zu begehen, die allerdings nicht wirklich gefährlich war. Es handelte sich wohl um ein „Sittlichkeitsdelikt“, das der entsprechenden Person allerdings unangenehm war. Geleichzeitig machte diese Person jedoch freiwillig mit und war am Ergebnis der Experimente sehr interessiert. (Es herrschte also vermutlich eine erhebliche Ambivalenz auf Seiten des Probanden.) Soweit ich mich erinnere, konnten nur drei von vier Hypnotiseuren mithilfe einer Illusion das entsprechende Verhalten erfolgreich befehlen. Ohne Illusion war es nur ein Hypnotiseur; aber als dem „Subjekt“ zur Vorbereitung einfach gesagt wurde, es möge sich einfach vorstellen, wie es die kriminelle Handlung begeht, war die Erfolgrate, wenn ich mich richtig erinnere, sogar noch häher als im Fall der Illusion: Nun waren vier von vier Hypnotiseuren erfolgreich bei der Induktion des inkriminierten Verhaltens.

    Eine im Grunde sehr einfache und sicherlich nur moderat effektive Intervention – die Bitte an den Hypnotisierten, sich sein Tun im Vorfeld vorzustellen – war mindestens so effektiv war wie die Illusion. Auch ohne Illusion gar es einen gewissen ehorsam, und auch mit Illusion war er nicht bei 100%. Zusammengenommen stützen die Ergebnisse m.E. die Orne’sche Auffassung: Wo eine starke Ambivalenz besteht, mag eine Illusion sozusagen das Zünglein an der Wage sein. Sie wirkt dann aber wohl eher durch stärkere „Demanc Characteristics“ oder durch eine Rechtfertigung, die sie dem Hypnotisierten beitet, und nicht durch einen Realitätsverlust; insofern dürfte sie anderen einfacheren Techniken vergleichbar sein, wie etwa der, dass das „Subjekt“ sich die tat zuerst vorstellen soll. Die Ergebnisse liegen hier letztlich auf einer Linie mit den von Orne weiter oben referierten.

    – Andererseits konnten frühe Hypnotiseure bei ihren „Somnambulen“, wenn sie das wollten, wohl ziemlich ubiquitär Gehorsam für folgende Art von Experiment erzeugen: Sie gaben den Probanden beispielsweise Zucker, Gummidolche oder einen entladenen Revolver, um dann zu suggerieren, dass es sich um Gift, resp. ein gefährliches Messer, resp. eine geladene Waffe handele. Alsdann befahlen sie den „Versuchspersonen“ – oft in Anwesenheit von Zeugen – die fürchterlichsten „Verbrechen“ mit diesen „Waffen“ zu begehn. Die Hypnotisierten gehorchten, und zwar gewöhnlich ohne eine Mine zu verziehen.
    Doch selbst bei den Milgram-Experimenten, bei denen eine eventuelle Tötung deutlich weniger klar und direkt befohlen wurde und weit weniger definitiv war, verweigerte immerhin ein Drittel den Gehorsam; und viele Probanden zeigten Anzeichen von intensivem Stress wie Zittern, Schwitzen, Nervosität usw. Dies legt nahe, dass die Hypnotisierten bei den Experimenten mit dem Zucker, den Dolchen und Revolvern auf der handlungsentscheidenen Ebene realisierten, dass die Versuche harmlos waren und deswegen mitmachten.

    – Zumindst ein Experiment gibt in diesem Sinne vielleicht einen ziemlich direkten Vergleich zwischen dem Gehorsam mit und ohne Illusions-Suggestionen. Bongartz („Hypnose: Wie sie wirkt und wem sie hilft“) schildert folgenden Versuch: Hochsuggestiblen wurde eine Karte in die Hand gegeben, von der suggeriert worden war, dass sie ein Messer sei; die Probanden wurden dann aufgefordert, Dritte anzugreifen, was sie auch taten. Wenn ihnen derselbe Auftrag jedoch erteilt wurde, nachdem ihnen ein reals Messer in die hand gedrückt worden war, verweigerten sie den Befehl. Ich hab leider das Buch nicht da, aber es kann sein, dass der Versuch bei ein und derselben Gruppe durchgeführt wurde. In diesem Fall könnte das Ergebnis vielleicht auf die „Demand Characteristics“ zurückgeführt werden: Die Probanden begriffen, dass das Experiment genau jenes Ergebnis haben sollte, das es dann auch hatte; und sie verhielten sich deswegen so, wie sie sich verhielten. Vielelicht hätten sie bei einem anderen versuchsaufbau die scharfen Messer benutzt, etwa im Vertrauen auf unsichtbare Sicherheitsvorkehrungen, so wie bei anderen Experimenten.

    Aber selbst wenn das so war, würde es immer noch zeigen, dass dei Fähigkeit zur Realitätserkenntnis, die Fähigkeit zur Beurtelung der Gesamt-Situation von einer übergeordneten realistischen Warte aus sowie das Vermögen, moralische Aspaekte zu reflektieren, weiterhin vorhanden waren.

    – Wenn man die gennannte Evidenz in ihrer Gesamtheit betrachtet, dann spricht sie m.E. gegen die aus T abgeleiteten Hypothesen S1 und S1. Sie spricht dann auch gegen T, also die These, dass Hypnotisierte durch suggerierte Illusionen ihre Fähigkeit verlieren, angemessen auf die Realität zu reagieren, und dass der Hypnotiseur auf diese Weise eine ganz besondere Möglichkeit der Verhaltenskontrolle erhält. Naheleigender scheint vielmehr die Annahme zu sein, dass die Induktion hypnotischer Täuschungen nur einen untergeordneten und indirekten Einfluss besitzt. Dies würde auch erklären, warum es ralativ „egel“ zu sein scheint, ob Illusionen benutzt werden, um vermeintliche Verbrechen moralisch zu rechtfertigen, oder, entgegengesetzt, um harmlose Handlungen wie „Morde“ aussehen zu lassen: Es scheint letztlich auf die reale und nicht die suggerierte Situation anzukommen, denn es sieht so aus, dass die reale Situation erkennt und auf ihrer Grundlage die Entscheidungen durch den Hypnotisierten getroffen werden.
    Dies ist m.E. die deutlich bessere Erklärung für die empirische Datenlage als die alternative These, dass der Hypnotisierte sich entscheidend an der Illusion orientiert, da er die Relaität nicht mehr zu erkennen und in seine Überlegungen mit einzubeziehen vermag.

    Regressive Beziehungselemente in der hypnotischen Beziehung

    Generell kann Hypnose sicherlich zu einer engeren Beziehung führen; auch kann sie mit regressiven Elementen einhergehn. So kann selbst innerhalb des experimentellen Kontextes das sog. „archaic involvement“ (Shor) gemssen werden, welches in etwa einem psychoanalytisch gefärbtem Rapport entspricht.

    Andererseits scheinen regressive Tendenzen, soweit sie potentiell „problematisch“ sind und zu Unterordnung und dem Verlust an Selbständigkeit führen, verstärkt in einem psychoanalytischen Setting aufzutreten, wo sie ohnehin zu erwarten wären, nicht unbedingt außerhalb.

    Kihlstrom äußert sich wie folgt, und zwar bezogen auf Lobor wie Klinik:

    „The idea that regressive transference is central even in the laboratory setting will strike most experimenters as quite foreign to their experience. Perhaps some denial is involved here, but I think not much…
    The transference view of hypnosis has been effectively contradicted by J. Hilgard (1970, 1971), based on extensive clinical interviews with college students who have volunteered for hypnosis research. Interviewing a fair sample of highly hypnotizable college students, she found they generally perceived the hypnotist in impersonal terms, and their various experimental hypnotists as interchangeable. The hypnotist is generally viewed as a guide or facilitator, and when he or she takes on the appearance of an authority figure or manipulator, subjects become uncomfortable and hypnosis is likely to grind to a halt. This was as true of experienced hypnotic subjects as it was of novices, and interviews in a therapeutic setting indicated that it was as true of clinical patients as it was of experimental subjects….

    The tendency of subjects to counter preconceptions about hypnosis in order to conform to the intentions of the hypnotist is taken by Sheehan as an objective index of the subject’s personal involvement with the hypnotist. Interestingly, it is not highly correlated with hypnotizability. More important in the present context, however, the archaic flavor of the psychoanalytic concept of transference is missing in these studies, just as it is from J. Hilgard’s interview data. While it is clear that hypnotic subjects have a special relationship with their hypnotist, that relationship is more appropriately characterized by rapport than by transference.“
    http://ist-socrates.berkeley.edu/~kihlstrm/RepDisHyp.htm

    Bramwell berichtete, dass viele Patienten in der Stadt Goole bereits eine lange Beziehung zu ihm hatten, bevor er mit der Hypnose anfing. Er berichtet weiter, dass seine Patienten (solange er in Goole war) ganz besonders „tief“ hypnotisiert waren, im Schnitt deutlich mehr als in Nancy. (Als Bramwell dann in einer anderen Stadt praktizierte, waren die Verhältnisse, was die „Tiefe“ der Hypnose bei seinen Patienten angeht, nach seiner Schilderung dieselben wie in Nancy) Allerdings waren Bramwells besonders tief hypnotisierte Patienten mit dem guten Rapport bei „verbrecherischen“ Experimenten wohl nicht so gehorsam wie die von Bernheim in Nancy, obwohl dort eine viel kürzere Arzt-Patient-Beziehung bestand. Dies lag vermutlich auch daher, dass Bramwells Patienten aus den selbstbewussteren „Upper Classes“ kamen, anders als die von Bernheim. Aber auch dann bleibt, dass auch eine klnische Beziehung mit Hypnose nicht notwendigerweise zu stark erhöhtem Gehorsam führt.

    In den Experimenten von Coe, Kobayashi und Howard wurde sowohl zu einigen Hypnotisierten wie Nicht-Hypnotisierten eine soziale Beziehung aufgebaut, zu anderen nicht. Zwar führte die soziale Beziehung zu erhöhtem Gehorsam, aber unabhängig vom Vorliegen von Hypnose.

    Ein möglicher Einwand wäre, dass bei einer kriminellen Hypnose die Beziehung deutlich länger andauert und auch manipulativer ist. Das ist sicher richtig, aber kann eine entsprechend lange Beziehung mit entsprechenden manipulativen Methoden dann nicht auch ohne Hypnose sehr erfolgreich sein; braucht sie die Hypnose noch? Und wäre die ein wesentlicher Faktor?

    Meine These wäre daher: Hypnose mag einen gewissen begünstigenden Einfluss besitzen, indem sie nämlich die Beziehung intensivieren kann; jedoch ist es fraglich, ob dieser begünstigende EInfluss sehr hoch und „einmalig hypnotisch“ ist, oder ob nicht auch recht leicht ohne Hypnose dieselben Effekte zu erzielen sind.

    Zum Rest

    Leider bin ich mir nicht sicher, was sie mit der „ironischen“ Seite des hypnotischen Prozesses genauer meinen. Bei aller gebotenen Vorsicht könnte ich mir jedoch vorstellen, dass analoge Einwände möglich wären wie gerade im Fall der regressiven Beziehungsgestaltung ausgeführt.

    Sehr interessant finde ich übrigens ihre Anmerkung, dass das „wissende Nichtwissen“ wohl auch außerhalb der Hypnose immer wieder auftritt, aber nicht registriert wird. Können Sie hierzu noch etwas sagen, oder einen literaturhinweis geben, falls es da geeignete Literatur gibt?

  15. Aus Zeitgründen beschränke ich mich auf zwei Fragen.

    Ein Beispiel für nicht-wissendes Wissen im Alltag:

    Ein Vorgesetzer der mittleren Ebene, nennen wir ihn Herrn Huber, ist sich sicher, dass er Entscheidungen nur überzeugend vor seinen Untergebenen vertreten kann, wenn er selbst davon überzeugt ist. Er gilt als authentischer Mensch und will auch so gesehen werden. Ehrlichkeit ist ihm seit Kindesbeinen ein Herzensanliegen.

    Er steht nun vor der Aufgabe, einen seiner Mitarbeiter zu befördern. Es kann ihm nicht verborgen geblieben sein, dass der Oberboss des Unternehmens – aus welchen Gründen auch immer – erwartet, dass die Wahl auf den Mitarbeiter Meyer fällt.

    Herr Huber weiß natürlich, dass ein beförderter Mitarbeiter die besten Aussichten auf Erfolg in der neuen Position hat, wenn er sich der Unterstützung der oberen Führungsebene gewiss sein kann.

    Herr Huber hat also die Aufgabe zu bewältigen, den vom Chef favorisierten Mitarbeiter Meyer auszuwählen, der aber an sich nicht der Beste für diesen Posten ist, und diese Entscheidung überzeugend vor den anderen Mitarbeitern zu vertreten. Dies kann ihm aufgrund seines Naturells aber nur gelingen, wenn er auch selbst davon überzeugt ist, dass der beförderte Mitarbeiter der Beste sei.

    Die in diesem Fall einzig mögliche Konfliktlösung setzt wissendes Nichtwissen voraus. Er muss wissen, dass der Oberboss Meyer favorisiert, sonst könnte und würde er ihn nicht auswählen, da er nicht der Beste ist. Gleichzeitig darf er dies aber nicht wissen, sonst könnte er die Wahl vor seinen Mitarbeitern nicht überzeugend vertreten.

    Sie fragten mich nach wissenschaftlichen Belegen für dieses Phänomen. Darunter verstehen sie vermutlich empirische Studien im Sinne der gegenwärtigen akademischen Psychologie. Damit kann ich nicht dienen. Es mag solche Experimente geben, mir sind aber keine bekannt.

    Dennoch bin ich davon überzeugt, dass diese Phänomene existieren, sogar sehr häufig vorkommen, weil eben Zwangslagen der beschriebenen Art nicht gerade selten sind. Dass Menschen gezwungen sind, zugleich ehrlich und unehrlich zu sein, ist in der Tat ein Alltagsphänomen.

    Man kann dieses Verhalten natürlich in Hypnose-Experimenten herauspräparieren. Das bereits diskutierte Beispiel der hypnotischen, selektiven Blindheit weist ja in diese Richtung. Die Basis solcher Experimente besteht darin, dass ein Befehl X nur realisiert werden kann, wenn man eine Information X bemerkt und nicht bemerkt.

    Wenn ich mich recht entsinne, so hat die Neo-Psychoanalytikerin Karen Horney dieses Phänomen als „vermerken“ bezeichnet, als einen Schwebezustand zwischen Wissen und Nicht-Wissen.

    Es handelt sich dabei um motiviertes Missachten und Bestehenlassen von A-Logik.

    Dies bringt mich zur Ironie. Ironisch ist eine Aussage, die etwas anderes meint als dass, was gemeint zu sein scheint, wenn man diese Aussage wortwörtlich nicht.

    Einem Hypnotisand wird suggeriert, dass er ein Flusspferd vor sich sähe. Wenn er ein guter Hypnotisand ist, so wird er auf Befragen bestätigen, dass er nun ein Nilpferd vor sich sehe, es sei sehr groß und behäbig, schaue friedlich drein und es zwinkere ihm gelegentlich zu.

    Dies ist natürlich pure Ironie. Der Hypnotisand weiß durchaus, dass er die „Vision“ des Tieres auf Anweisung des Hypnotiseurs konstruiert. Damit er es aber konstruieren kann, darf er dies zugleich nicht wissen. Das Flusspferd muss wie herbeigezaubert plötzlich vor seinen Augen auftauchen. Das Hypnotische an der Situation wurde vermerkt.

    Dies ist also im strengen, literaturwissenschaftlichen Sinn romantische Ironie. Dies macht den hypnotischen Zauber aus – und ermöglicht ihn. Der romantische Ironiker will das Produzierende mit dem Produkt darstellen, das Kunstwerk soll in der Schwebe gehalten werden zwischen Konstruktion kraft Suggestion des Fiktiven als real und Dekonstruktion des realen Scheins durch Transparenz seiner Konstruktionsprinzipien – und zwar so, dass dennoch die literarische Glaubwürdigkeit des Werks nicht in Frage gestellt wird. Was könnte hypnotischer sein?

    Um Zeit zu sparen zitiere ich eine Passage aus Wikipedia, die den Grundgedanken recht passabel zum Ausdruck bringt:

    „Die vollendete Ironie hört auf, Ironie zu sein und wird ernsthaft, sagt Schlegel. Denn weil sie sich selbst in Frage stellt, kann sie komisch sein, erreicht in ihrem beständigen Willen zu solcher Selbstkritik aber eben eine höherliegende Ernsthaftigkeit. In jenem ursprünglichen Sokratischen Sinne […] bedeutet die Ironie eben nichts andres, als dieses Erstaunen des denkenden Geistes über sich selbst, was sich oft in ein leises Lächeln auflöst. (Schlegel)“

    Ist es nicht auch diese Mutation von Komik zur Ernsthaftigkeit, die das Faszinierende an einer Showhypnose ausmacht?

    Kehren wir also zum Verbrechen in Hypnose zurück. Wie bereits in vorherigen Kommentaren betont, beurteile ich dessen Möglichkeit zwar skeptisch, will es im Einzelfall aber auch nicht ausschließen. Auch ein Verbrechen in Hypnose würde im Zustand des wissenden Nichtwissens begangen. Der hypnotisierte Täter müsste wissen, dass er dem posthypnotischen Befehl eines Hypnotiseurs gehorcht und dies zugleich nicht wissen, weil er sonst dem Befehl ja nicht gehorchen würde (und wenn doch, dann wäre er ein kein Komplize wider Willen).

    Kann man Komplize wider Willen sein. Sie meinen, wenn ich Sie recht verstehe, nein, weil die Gesamtpersönlichkeit wissendes Nichtwissen ja selbst inszeniert. Demgegenüber halte ich es für möglich, dass es dem Hypnotiseur gelingen könnte, in seinem Opfer eine romantische Faszination zu entzünden, die es diesem unmöglich macht, seine Bereitschaft zu dieser Inszenierung zu verweigern oder, wenn’s ernst wird, zurückzuziehen.

    Dieser Hypnotiseur müsste ein Meister-Verführer sein, ein Mephisto der allerfeinsten Sorte.

    Wenn jemand einen posthypnotischen Befehl befolgt, so handelt er. Dies heißt, er folgt einer Absicht. Diese Absicht ist der Reflexion entzogen, wird also nicht in Frage gestellt. Hypnotischer Zwang führt demgemäß nicht zu Automatismen, sondern zu Handlungen, denen ein felsenfester Entschluss zugrunde liegt. Raubt jemand eine Bank aus, so liegt dem ein felsenfester entschluss zu Grunde. Handelte der Bankräuber in einem Zustand einer romatischen Faszination, die absichtlich von einem anderen Menschen entfacht wurde, dann darf man dies meines Erachtens uneingeschränkt als Verbrechen in Hypnose betrachten.

    Man könnte einwenden, in diesem Fall sei der Bankräuber wider Willen der Faszination des Hypnotiseurs erlegen, nicht aber durch Hypnose zu einer Tat veranlasst worden, die er ohne diese nicht begangen hätte. Dies mag sein, in vielen Fällen. Bekanntlich wurden schon Morde begangen, weil der Auftraggeber die Täter faszinierte, Beispiel: Charles Manson. Doch ich halte es für denkbar, dass ein an sich nicht besonders charismatischer Hypnotiseur mit einem ausgefeilten System hypnotischer Mittel und Maßnahmen eine Faszination hervorrufen kann, die er ohne diese Mittel und Maßnahmen nicht erreichen würde.

  16. Sehr herzlichen Dank füIhre Ausführungen! Diese machen für mich Sinn und sind gut nachvollziehbar!

    – Mir ist es nun, denke ich, recht verständlich, inwefern man vom „ironischen“ Charakter der Hypnose sprechen kann; ein interessanter und beleuchtenswerter Aspekt.

    – Ihre Ausführungen zum wissenden Nichtwissen im Alltag halte ich für plausibel und gut nachvollziehbar, völlig ungeachtet davon, inweiweit es dazu wissenschaftliche Untersuchungen gibt. Wenn man (wie etwa Erickson) davon ausgeht, dass Hypnose und hypnotische Phänomene prinzipiell „natürlich“ sind, dann liegt es auf der Hand, dass immer wieder auch Parallelen zwischen Hypnose und alltäglichem Erleben bestehen sollten.

    – Wenn ich Sie richtig verstehe, dann erklären Sie den möglichen Kontrollverlust bei der hypnotischen Illusion nicht dadurch, dass der Hypnotisierte sich nicht mehr an der Realität orientieren kann, sondern dass er das aufgrund der sozialen Beziehung zum Hypnotiseur nicht mehr „will“. Es läge hier also eher ein „psychologisches“ Nicht-Können vor denn eine durch die Struktur der kognitiven Informationsverarbeitung bedingte „prinzipielle“ Unfähigkeit, die Realität zu erkennen und zu berücksichtigen.

    – Dem könnte ich soweit zustimmen; jedoch würde ich davon ausgehen, dass die Abhängigkeit des Hypnotisierten in solchen Fällen wahrscheinlich auch direkt, ohne Illusion zum Tragen käme.

    – Bei der Frage, ob der Hypnotiseur in geeigneten Fällen eine ganz besondere, quasi „einmalige“ Abhängigkeit schaffen kann, wie es bei normaler Manipulation nicht möglich wäre, haben wir wohl unterschiedliche Auffassungn. Es existiert hier ja aber auch keine eindeutige empirische Evidenz, die die Frage definitiv und endgültig beantworten könnte. Insoweit bleibt es sicherlich ein Stück weit eine Frage der subjektiven Einschätzung.

    – Persönlich geht es mir bei diesem Artikel ja auch weniger darum, die eigentliche Frage nach der besonderen Missbrauchsmöglichkeit der Hypnose definitiv und endgültig „klären“ zu wollen (was auch etwas viel wäre). Meine Absicht ist eher, auf die große Komplexität des Themas hinzuweisen, und zugleich auf die methodisch begrenzte Aussagekraft allzu einfacher/simpler Experimente aufmerksam zu machen. Viele Diskussionen bewegen sich nicht auf einem adäquaten Niveau, und nicht jeder, der inhaltlich vergleichbare Thesen vertritt wie Sie, differenziert so sorgfältig und ist sich der Vielschichtigkeit des Themas so sehr bewusst. Umgekehrt gilt natürlich genau so, dass Ansichten, wie auch ich sie vertrete, mitunter in einer sehr „unterkomplexen“ Weise vertreten und begründet werden.
    Wenn durch diesen Artikel (und unsere Diskussion) ein gewisses Bewusstsein für die Komplexität der Mateirie entsteht, die man beachten sollte, wenn man dem Thema gerecht werden möchte, bin ich persönlich sehr zufrieden.

    – Zwei Dinge möchte ich noch der Vollständigkeit und Systematik wegenergänzen, obwohl ich nicht den Eindruck habe, dass nun zwische unseren Auffassungen dort jeweils unbedingt eine Differenz bestehen würde:

    – Zum einen noch etwas zur These sagen, dass der Hypnotisierte auf eine Illusion nicht als solche reagiert, sondern auf die mit ihr verbunenden impliziten Suggestionen, und zwar auf einer Ebene, auf der er Realität und Illusion auseinanderhalten und sein Gesamt-Verhalten strukturieren kann. Hierzu noch ein kleiner Hinweis auf einen lürzeren Artikel aus meinem andren Blog, wo das vielleicht nochmals illustriert wird:
    http://hypnoseinfos.wordpress.com/2012/01/02/ein-paar-beobachtungen-zur-trancelogik/

    – Zum Zweiten möchte ich noch kurz auf den Fall eingehen, dass dem Subjekt eine Illusion (im weitesten Sinne) suggeriert wird, die eine Tat moralisch annehmbar machen soll, welche prima facie als unannehmbar erscheint. (Dabei denke ich jetzt nur an den einfachen Fall eines normalen experimentellen Settings.) Ein Beispiel wie Orne es erwähnt wäre der Befehl, einen Geldbeutel zu stehen, verbunden mit der vorausgehenden Suggestion, dass er Eigentum des Probanden sei. Es kann nun sein, dass der Proband die Illusion nicht voll verwirklichen und aufrecht erhalten kann und dann den „Diebstahl“ abbricht; dass aber auf eine neue Suggestion hin die Illusion „hält“ und die Versuchsperson das „Delikt“ durchführt.

    1. Eine scheinbar neheliegende Interpretation wäre in diesem Fall, dass der Probanden den Diebstahl zuerst nicht und dann doch noch durchführt, weil seine Fähigkeit zu Realitätserkenntnis zuerst erhalten ist, dann aber durch die erfolgreiche Illusion beim zweiten Versuch nicht mehr besteht. Gegen diese Interpretation spricht m.E. jedoch stark, was ich im letzten Kommentar auszuführen versucht habe.

    2. Eine andere Deutungsmöglichkeit bestünde darin, dass die „Anforderungen der Situation“, die „Demand Characteristics“ beim zweiten Versuch durch die Wiederholung stärker werden. Der Wunsch des Experimentators, dass der Versuch tatsächlich funktionieren soll, wäre deutlicher, und der soziale Druck höher. (Der Proband kann allgemien ja auch den Eindruck haben, dass der Eperimentator beweisen will, dass es NICHT möglich ist, Hypnotisierte zu kriminellen Handlungen zu bewegen.)

    3. M.E. liegt hier jedoch eine andere Möglichkeit näher: Der Hypnotisierte fasst seinen Aufrtag (korrekterweise) so auf, dass er eine Illusion erleben und auf ihrer Grundlage eine Handlung begehen soll. Merkt er nun, dass die Illusion nicht funktioniert, dann würde er es wie ein „Schauspielern“ empfinden, wenn er die scheinbar kriminelle Handlung dann dennoch durchführen würde. Er ist sich bewusst, dass das nicht im Sinne des Experimentes so „gemeint “ war. Es wäre für ihn dann etwa so, als würde er bei einer Levitations-Suggestion willentlich den Arm anheben, nachdem er gemerkt hat, dass sein Arm nicht leichter wird und sich nicht „von selbst“ hebt.
    Diese Interpretation würde bedeuten, dass hier das Gelingen oder Nicht-Gelingen der Illusion nicht „an sich“ wirksam ist, sondern insoweit, als es die „Demand Characteristics“ beeinflusst, und zwar hier in einer anderen Form als bei Punkt 2. Vermutlich spielen sowohl 3. wie 2. eine Rolle.

    Dass die Erklärung des Verhaltens vor allem bei 3. zu suchen ist, ließe sich, so vermute ich, wohl relativ einfach experimentell überprüfen. Man könnte zwei Gruppen von Hochsuggestiblen nehmen, die gut auf Halluzinations-Suggestionen reagieren, und zwei Gruppen von Niedrigsuggestiblen, die schlecht auf solche Suggestionen reagieren.
    Der einen Gruppe von Hochsuggestiblen würde man unter Zuhilfenahme einer Illusion einen vermeintlich kriminellen Akt befehlen, der anderen Gruppe von Hochsuggestiblen ohne die Induktion einer Illusion. Und entsprechend dasselbe mit den Niedrigsuggestiblen: Die eine Gruppe soll mit, die andere ohne Illusins-Suggestion den pseudo-kriminellen Befehl ausführen. Gleichermaßen bei allen tests soll deutlich vermittelt werden, dass Gehorsam tatsächlich gewünscht wird.

    Entsprechend meiner Vermutung wäre dann folgendes Ergebnis zu erwarten: Die Hochsuggestiblen kommen dem vermeintlich kriminellen Befehl nach, ohne dass zwischen der Illusions- und der Non-Illusions-Gruppe bedeutende Unterschiede erkennbar würden. Eben so hoch wäre der Gehorsam der Niedrigsuggestiblen ohne Illusion. Der Gehorsam der Niedrigsuggestiblen mit Illusion sollte jedoch eindeutig niedriger ausfallen, da das Misslingen der Illusions-Suggestion und die Ausführung des pseudo-kriminellen Befehls interferieren sollten.
    Dabei sollte m.E. darauf geachtet werden, dass die suggerierte Illusion als solche deutlich hervorsticht, so dass diejenigen, die an ihr „scheitern“, dies auch deutlich registrieren. Die allgemeine Bemerkung „Nehmen Sie den Geldbeutel, er ist Ihrer“, könnte nach meinem Gefühl ev. zu unauffällig sein, um einen optimalen test abzugeben. (Ich „propagiere“ so ein womöglich ethisch bedenkliches Experiment nicht, es geht mir nur um die methodiesche Überlegung. Damit aber erst mal auch genug mit der Methodik!)

    Ansonsten möchte ich mich an dieser Stelle erst einmal herzlich für all die guten Gedanken, Anregungen, Denkanstöße, neuen Ideen und geistvollen und sorgfältigen Erläuterungen bedanken; ebenfalls für die Diskussion, die ich nicht nur fachlich als außerordentlich hochwertig, sondern auch menschlich als sehr angenehm und respektvoll empfunden habe, ungeachtet mitunter verschiedener Sichtweisen. Es handelt sich hier mit Abstand um eine der besten Diskussionen, die ich je zum Thema „Hypnose“ führen durfte. (Dies soll nun aber selbstredend kein indirekter Hinweis sein, dass ich die Diskussion beenden möchte; vielmehr setze ich sie sehr gerne fort, soweit Material und Interesse bestehen!)

  17. Da auch ich sachliche Diskussionen, die von gegenseitigem Respekt gekennzeichnet sind, sehr schätze, danke ich Ihnen für diesen Gedankenaustausch, durch den ich eine Menge gelernt habe.

    Mir ist bewusst, dass wir diese Diskussion vermutlich ins schier Unendliche ausweiten könnten, weil sich doch stets immer wieder Details ergeben würden, bei denen wir den Grad der Übereinstimmung erst noch ausloten müssten.

    Ich ziehe es aber vor, den bisherigen Verlauf des Gesprächs noch einmal in Ruhe zu rekapitulieren, mir die von Ihnen angegebenen Verweise genauer anzuschauen und dann, bei Gelegenheit, mich in Ihrem ausgezeichneten Blog noch einmal zu Wort zu melden.

    Mit freundlichen Grüßen
    Hans Ulrich Gresch

  18. @ Hans Ulrich Gresch

    Danke für Ihren Beitrag am
    Juni 15, 2012 um 8:43 nachmittags.

    Genau die von Ihnen beschriebene Methode wendet ein Hypnotiseur mit krimineller Energie an, und sei es nur, um sein eigenes Ego zu befriedigen (Macht über andere Menschen). Das tut er ja nicht in einer Fakultät oder in einem Labor, sondern meist unerkannt im realen Leben. Man kann garnicht genug vor solchen Scharlatanen warnen und über deren Methoden aufklären.

    Das „Opfer“ weiß meist garnicht, daß es für dessen Zwecke hypnotisiert wurde (Blitzhypnose mit abschließender „Vergessens-Suggestion“). Die von Ihnen beschriebene Vorgehensweise kann zu schweren seelischen Störungen, körperlichen Krankheiten und dem inneren Kampf gegen etwas gefühlt Aufgezwungenes werden, ohne die Kontrolle darüber zu bekommen, führen.

    Das taucht natürlich nicht in den „wissenschaftlichen Experimenten“ und deren Ergebnissen auf.

  19. Wäre es noch möglich zu erfahren an wen sich Opfer wenden können, die sich an derartige Blitzhypnosen und Vergessenssugestionen wiedererinnern?

  20. Wenn jemand das Gefühl hat, durch Hypnose manipuliert zu werden, würde ich persönlich einen Psychotherapeuten oder sozialpsychiatrisch geschulten Arzt, der sich auch mit Hypnose auskennt, kontaktieren.

  21. Eigentlich könnte ein gut geschulter Hypnosecoach / -therapeut durch ne Rückführung an derartige Informationen herankommen, um herauszufinden ob man manipuliert wurde oder nicht.

  22. @ Mark Rüb:

    Das Problem ware hier, dass die Erinnerung nicht unbedingt akkurat sein muss („false memory“). Ist jemand fest überzeugt, dass er etwas erlebt hat, wird er sich während der Hypnose vermutlich – unbewusst und ohne bösen Willen – spontan etwas ausdenken.

  23. Ich war da – mein Name ist Pavle und ich leide unter Schizophrenie. Meine Vermutung ist, das ich in der Vergangenheit Hyptnotisiert wurde.

  24. Lieber Pavle,

    tut mir leid, dass ich spät antworte. Ich besuche dieses Blig nur noch sporadisch.
    Ihren Namen habe ich mal gekürzt, weil das andere Leute nicht so viel angeht.

    Was auch immer der Grund sein mag – meine „subjektive“ Empfehlung wäre eine vor allem sozialpsychiatrisch ausgerichtete Therapie. Also eine Therapie, die vor allem Psychologisches und Spziales berücksichtigt und mit Medikamenten zurückhaltend ist. Die Deutsche Gesellschaft für Soziale Psychiatrie wäre insofern sicherlich ein Ansprechpartner für Adressen:
    https://www.dgsp-ev.de/startseite.html
    Jedenfalls wünsche auf jeden Fall eine gute Besserung!

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